Maria Magdalena und Judas – ein Oberammergauer Ehepaar

von Redaktion

Der Verräter und die Jesus-Vertraute: Martin und Barbara Schuster freuen sich, dass die Proben bald beginnen

Ein Ort, an dem Maria Magdalena und Judas miteinander verheiratet sind – den gibt es vermutlich nur einmal auf der Welt. Er heißt Oberammergau, Landkreis Garmisch-Partenkirchen. Dort leben Barbara (35) und Martin (32) Schuster. Sie übernehmen bei den Passionsspielen zwei Rollen, die auf den ersten Blick sehr gegensätzlich sind.

Maria Magdalena gilt als eine der engsten Vertrauten von Jesus. Und Judas wird gemeinhin nur als Christus-Verräter angesehen. „Viele sagen, dass das eine etwas dubiose Kombination ist“, sagt Barbara Schuster. „Wir streiten uns deshalb aber nicht mehr als sonst“, sagt Martin Schuster und lacht. „Und auch nicht weniger“, fügt seine Frau hinzu.

Barbara Schuster ist Personalberaterin in einer Bank, er arbeitet als Politikwissenschaftler bei der Bundeswehr. Für Martin Schuster ist Judas mehr als nur ein bloßer Verräter. Denn auch er sei ein enger Vertrauter von Jesus gewesen, ein Freund, der seine Tat bereute. Das macht die Figur für Schuster vielschichtig und interessant.

Weihnachten verbringt das Ehepaar mit seinen zwei Kindern und vielen anderen Familienmitgliedern. Tagsüber sind sie unterwegs und besuchen Freunde. Am Nachmittag steht die Kinderchristmette auf dem Programm. Zum Abendessen gab es 2020 auf Wunsch der damals dreijährigen Tochter Pizza-Raclette. Hört sich ungewöhnlich an – aber in den Pfännchen wird einfach Pizzateig statt Gemüse oder Kartoffeln gebacken. Heuer soll es unkomplizierter sein. „Für unsere Tochter sind die Geschenke eh das Wichtigste“, sagt Barbara Schuster. Der Sohn – noch nicht einmal ein Jahr alt – sei dafür noch zu jung. Auf dem Menü stehen Würstl und Kartoffelsalat. Bescherung ist nach dem Essen. Dann singen sie Weihnachtslieder, Martin Schuster spielt dazu Gitarre.

In Oberammergau werden die Passionsspiele mit dem Beginn der Proben wenige Wochen nach Weihnachten allgegenwärtig. Und auch die Darsteller stehen dann plötzlich noch mehr im Mittelpunkt. „Früher war das noch extremer“, sagt Martin Schuster. „Vor 100 Jahren soll der Jesus-Darsteller durchs Dorf gelaufen sein und den Leuten segnend die Hand aufgelegt haben.“

Bei den Passionsspielen 2010 spielte er den Apostel Johannes. Seine Frau war damals schon Maria Magdalena. Als beide bei einer der Aufführungen auf der Bühne stehen, kommt Petrus mit viel Schwung um die Ecke. Er rutscht aus und fällt vor 5000 Menschen im Publikum auf den Boden. Inklusive hochgerutschtem Kostüm. So erzählt es Barbara Schuster. „Es ist nichts passiert, aber das war schon kurz lustig. Man versucht dann, ein ernstes Gesicht zu bewahren.“

Die Passionsspiele sind Tradition, sie sind anstrengend, aber man wird mit einem unendlichen Gemeinschaftsgefühl belohnt. Hat ein Darsteller Geburtstag, dann schreibt jemand auf das Brot bei der Abendmahl-Szene mit Lebensmittelfarbe einen lustigen Spruch. Es sind Momente wie diese, die es für die Schusters so besonders machen, ein Teil der berühmten Passion zu sein. ALEXANDRA SCHÖNE

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