Viele halten Judas, der Jesus für ein paar Münzen verraten hat, für den schlechtesten Menschen in der Passionsgeschichte. Carsten Lück ist anderer Meinung. Der 52-Jährige, der als technischer Leiter am Münchner Volkstheater arbeitet, spielt Pontius Pilatus. Der römische Statthalter verurteilte Jesus zum Tode. „Pilatus ist der fieseste Charakter“, sagt Lück. „Jesus war für ihn ein politischer Spielball, den er weghaben wollte, weil er Tumult machte.“ Lück mag seine neue Rolle. Sie fasziniert ihn.
Für ihn sind die Passionsspiele trotzdem irgendwie Alltag. Mit elf hat er zum ersten Mal mitgespielt, zweimal war er sogar Judas. Trotzdem ist er niemand, der in jeder Sekunde über die Figuren nachdenkt. Auch an Weihnachten nicht. „Die Rolle wird schnell zur Normalität“, sagt er. Lück feiert heuer gemeinsam mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen. Wenn sie Lust haben, gehen sie in die evangelische Kirche. Danach geht es auf den Friedhof. Am Heiligen Abend isst die Familie meistens Raclette. Danach gibt es Geschenke. Aber gesungen wird nicht. „Wir sind nicht sonderlich musikalisch“, sagt Lück und lacht.
Während viele der Darsteller sich sowohl Haare als auch Bart lang wachsen lassen müssen, ist Lück einer der wenigen, die das nicht müssen. Er behält als Pilatus sein kurzes Haar. Schlecht findet er das nicht. „Dann muss man nicht ständig Leuten erklären, warum man plötzlich anders aussieht“, sagt er. Es hat also durchaus auch handfeste Vorteile, ein biblischer Bösewicht zu sein. asc