So grundverschieden geht Europa mit Omikron um

von Redaktion

Lockern oder Lockdown: Ein Blick auf die aktuellen Corona-Strategien in sieben ausgewählten Ländern

Großbritannien: Masken runter!

Die Infektionszahlen auf der Insel sind zuletzt um die Hälfte gesunken – aber immer noch imposant. Gestern betrug die Inzidenz 954,2. Angesichts der positiven Tendenz (und des politischen Gegenwinds aus allen Richtungen) kündigte Premier Boris Johnson zuletzt umfassende Lockerungen der ohnehin schon großzügigen Regeln in England an. Die anderen Landesteile verfahren ähnlich. Ab heute entfällt die Maskenpflicht, auch die Arbeit im Homeoffice wird nicht mehr offiziell empfohlen. Ende März soll für positiv Getestete sogar die Quarantänepflicht aufgehoben werden. Johnsons Begründung: Man zwinge sie ja auch nicht zur Isolation, „wenn sie die Grippe haben“. Ab Mitte Februar entfällt zudem für Geimpfte bei der Einreise die Testpflicht.

Österreich: Lockdown bald vorbei

Während in wenigen Tagen die Impfpflicht in Kraft tritt, hebt die österreichische Regierung am kommenden Montag den Lockdown für Ungeimpfte auf. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) kündigte die Maßnahme gestern an und berief sich auf ein Experten-Gremium, das trotz weiterhin hoher Infektionszahlen keine Überlastung der Intensivkapazitäten mehr befürchtet. Einschränkungen gelten für Ungeimpfte weiterhin in großen Teilen des öffentlichen Lebens, wo die 2G-Regel Bestand hat.

Gestern meldete das Gesundheitsministerium mehr als 34 000 neue Corona-Fälle. Auf Deutschland hochgerechnet ergäbe das mehr als 300 000 Patienten. Die aktuelle Sieben-Tage-Inzidenz beträgt 2026. Die Experten erwarten in den nächsten zwei Wochen einen Anstieg auf über 40 000. Sobald der Höhepunkt der fünften Welle überwunden sei, solle über Lockerungen nachgedacht werden, sagte Nehammer. Besonders umstritten ist die Sperrstunde in der Gastro um 22 Uhr.

Niederlande: Der harte Kurs endet

Die Niederlande waren in diesem Omikron-Winter das einzige westeuropäische Land, das es noch einmal mit einem harten Lockdown versucht hat. Dieser Versuch ist gescheitert, die Sieben-Tage-Inzidenz steigt und steigt, derzeit liegt sie bei 2034 – obwohl wegen der Menge der Fälle nicht mehr alle Infektionen rechtzeitig in die Statistik einfließen.

Da gleichzeitig die Zahl der Intensivpatienten sinkt und die Diskussion über den Lockdown immer hitziger wurde, lockert die neue Regierung von Ministerpräsident Mark Rutte die Maßnahmen – auch wenn der eigene Gesundheitsminister warnt. Vor elf Tagen wurde der Lockdown beendet, gestern gab es weitere Lockerungen. So dürfen die Gastronomie sowie Kultureinrichtungen mit 3G wieder bis 22 Uhr öffnen. Die Stadien dürfen im Freien wieder zu einem Drittel mit Zuschauern gefüllt werden. Schüler unter 18 müssen nach dem Kontakt mit einer infizierten Person künftig nicht mehr in Quarantäne, sofern sie keinerlei Beschwerden haben.

Schweiz: Strengere Linie hält

Streit über die Corona-Regeln? Dann eben ein Volksentscheid. Mit direkter Demokratie haben die Schweizer den Krach etwas entschärft. Ende November fand sich eine 62-Prozent-Mehrheit für das Covid-19-Gesetz. Die aus vier Parteien zusammengewürfelte Regierung – anfangs sehr zögerlich und von manchen Kantonen gebremst – steuerte auf eher strenge Regeln zu. 2G und Maskenpflicht für Kultur, Freizeit, Sport, Gastronomie, sogar 2Gplus für Bars, Bäder und die Blasmusik. Der Rahmen gilt bis Ende März, für die freiheitsliebenden Schweizer ist das viel und lang. Rufe nach Lockerungen werden allmählich wieder laut, vor allem aus der Wirtschaft. Tenor: Die Fallzahlen mögen exorbitant sein – 43 000 pro Tag –, aber die Intensivstationen leeren sich etwas, derzeit zu 76,4 Prozent ausgelastet. Die Impfquote ist mit 68 Prozent aber niedrig. Keine Impfpflicht.

Italien: Die Welle flacht ab

Italien scheint den Höhepunkt der Omikron-Welle gerade hinter sich gebracht zu haben. Anfang Januar verzeichneten die Behörden teilweise über 200 000 Ansteckungen am Tag, nun gehen die Zahlen wieder zurück. Trotz aber immer noch hoher Inzidenzen sind Geschäfte und Restaurants für Geimpfte und Genesene offen. Im Land gilt eine Corona-Impfpflicht für Über-50-Jährige und bestimmte Berufe. Die Impfquote liegt bei rund 90 Prozent.

Bereits seit dem Sommer gilt in Italien landesweit der sogenannte „Grüne Pass“, in dem Impfungen, Genesungen und Tests festgehalten werden. Nur mit diesem Pass ist es möglich, zum Beispiel Sportveranstaltungen, Konzerte oder Theater zu besuchen. „Der nächste Schritt sollte sein, dass für dreifach Geimpfte noch weniger Einschränkungen gelten werden“, sagte Vize-Gesundheitsminister Pierpaolo Sileri der „Welt“.

Dänemark: Keine Angst vor Covid

Dänemarks Gesundheitsminister Magnus Heunicke will die Einstufung von Covid-19 als Bedrohung für die Gesellschaft ab dem 1. Februar aufheben – trotz extrem hoher Fallzahlen. Wenn das Parlament zustimmt, würden de facto alle Corona-Restriktionen wie etwa die Gesundheitspass-Pflicht, die Maskenpflicht und verkürzte Öffnungszeiten für Lokale aufgehoben. Dänemark wäre damit das erste EU-Land, das in der Omikron-Welle ein Ende aller Corona-Beschränkungen beschließt.

Am Dienstag registrierte Dänemark rund 46 000 Neuinfektionen binnen 24 Stunden. Die Krankenhäuser des 5,8-Millionen-Einwohner-Landes sind jedoch nicht überlastet. Heunicke begründete sein Vorhaben mit der hohen Impfquote in Dänemark. 3,5 Millionen Menschen und damit mehr als 60 Prozent der Bevölkerung in Dänemark haben bereits eine Booster-Impfung erhalten.

Irland: Der Sturm ist vorbei

Irland steigt aus. Das Land wird am Samstag den größten Teil seiner im vergangenen Monat eingeführten strikten Beschränkungen wieder aufheben. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt mit 764 nur knapp unter der deutschen Inzidenz von 941. Die Gesundheitslage habe sich deutlich verbessert, sagte Regierungschef Micheal Martin kürzlich. „Wir haben den Omikron-Sturm überstanden.“

Ab Samstagmorgen, 6 Uhr, wird für den Besuch von Pubs, Restaurants und Nachtclubs kein Nachweis einer Impfung oder Genesung mehr verlangt. Kneipen, Bars und Restaurants müssen nicht mehr am frühen Abend schließen, auch die Abstandsregeln werden aufgehoben. Die Besucherzahl von Veranstaltungen im Innen- und Außenbereich wird nicht mehr beschränkt, private Treffen zu Hause sind nun uneingeschränkt wieder möglich.

Ab Montag können Arbeitnehmer zudem schrittweise an ihren regulären Arbeitsplatz zurückkehren. Einzig die Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr und in den Geschäften soll in Irland bis mindestens Ende Februar weiter gelten. hor/cd/sts/mb

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