Was wir von New York und Madrid lernen können

von Redaktion

In vielen Ländern gehen die Neuinfektionen schlagartig zurück – Zwei Mediziner aus den USA und Spanien berichten

München – Mancherorts scheint Omikron die Kurve gekratzt zu haben: In den USA, Großbritannien und Spanien sinkt die Zahl der Neuinfektionen seit Tagen rapide – nachdem die Omikron-Welle kurz vorher in allen Ländern ihren Höchststand erreicht hatte. In Deutschland, wo die Zahlen weiter nach oben schießen, weckt der Blick ins Ausland Hoffnung: Könnte auch hierzulande bald die Welle brechen?

„Wir haben zwar immer noch mehr Neuinfektionen als in allen Wellen zuvor“, sagt Allgemeinmedizinerin Ana Olleros aus Madrid am Telefon, „aber die Verläufe sind meistens mild, immer weniger Menschen müssen im Krankenhaus behandelt werden.“ Auch wenn die Inzidenz in Spanien bei 1875 liegt – Beschränkungen im Alltag gibt es bis auf die Maskenpflicht in Geschäften und öffentlichen Verkehrsmitteln kaum noch. „Clubs und Bars haben geöffnet, vor allem die Jugendlichen scheinen jetzt mit der Pandemie abgeschlossen zu haben“, sagt Olleros. Aber auch von der linksgerichteten Regierung hieß es kürzlich, man wolle Corona in Zukunft mehr wie eine Grippe behandeln.

„Ich halte das für keine gute Idee“, sagt die Ärztin. Sie hat viele ältere Patienten, die sich nach wie vor nicht sicher vor dem Virus fühlen. „Dazu kommt, dass zwar die Intensivstationen weniger ausgelastet sind, dafür aber normale Hausarztpraxen wie meine kurz vor einem Kollaps stehen.“ Personalausfälle würden nicht nur den Gesundheitssektor treffen, sagt Ana Olleros. „Wir schicken so viele Patienten in Quarantäne, dass der bürokratische Aufwand kaum noch zu bewältigen ist.“

Auch in den USA ist die Zahl der Neuinfektionen in den letzten Tagen landesweit zurückgegangen. „Ich schätze, wir haben die Kurve gekriegt“, sagt Virologe Thomas Russo von der University at Buffalo im Bundesstaat New York. „Wenn man auch nach Großbritannien, Kanada oder Südafrika blickt, sieht man: Omikron geht steil bergab. Und so wie es aussieht, haben wir die Welle hier auch hinter uns gelassen.“

Der Virologe macht Hoffnung: Auch Deutschland könnte bereits seinen Höhepunkt erreicht haben. „Ich denke, Deutschland ist in der Entwicklung gut zwei Wochen hinter den USA.“ Russo mahnt dennoch zur Vorsicht. „Wir haben immer noch viele Todeszahlen. Auch wenn die Omikron-Variante milder ist – es infizieren sich aktuell so viele Menschen, dass das Gesundheitssystem noch immer überlastet ist.“ Noch vor einigen Wochen erreichten die USA Rekordwerte von über einer Million Neuinfektionen pro Tag – davon würden sich Kliniken, aber auch andere infrastrukturelle Bereiche, nur langsam erholen.

„In New York City gibt es noch immer Personalengpässe im Nahverkehr und Schulen“, erzählt er. Gleichzeitig sei aber die Bereitschaft, sich zum Schutz vor dem Virus einzuschränken, in der Gesellschaft nur noch gering: Restaurants, Bars und Clubs seien wieder voll – trotz einer Inzidenz über 800.

K. BRAUN/A. KLAEHN

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