Der letzte Funkspruch: „Die schießen“

von Redaktion

VON W. JUNG, J. BRINKHUS UND S. SESSLER

Kusel – Die ländlich geprägte Gegend um die kleine pfälzische Kreisstadt Kusel wirkt friedlich, doch an diesem Morgen trügt das Idyll: Ganz in der Nähe haben Unbekannte zwei Polizisten bei einer Verkehrskontrolle erschossen. Die Polizei hat den Tatort, der sich auf der Kreisstraße 22 befindet, am Montagmorgen weiträumig abgeriegelt. Kurz hinter dem Ort Mayweilerhof ist die zweispurige Straße nach Ulmet mit rot-weißem Flatterband abgesperrt. Schwer bewaffnete Polizisten in Schutzausrüstung patrouillieren neben ihren Einsatzfahrzeugen.

Stunden nach der Tat ist vieles an dem Verbrechen noch unklar. Nach den bisherigen Erkenntnissen haben der 29-jährige Polizist und seine 24-jährige Kollegin, die nach Angaben der Gewerkschaft der Polizei (GdP) noch an der Hochschule der Polizei studierte, dort gegen 4.20 Uhr ein Fahrzeug kontrolliert. Warum ihnen der Wagen auffiel und was dann passierte, ist Gegenstand der Ermittlungen. Sie hatten aber offenbar bei der Kontrolle totes Wild in dem Fahrzeug gefunden. Wie aus Sicherheitskreisen zu erfahren war, setzten die beiden Polizisten noch per Funk einen Hilferuf ab: „Die schießen.“

Am Montagnachmittag hat die Polizei dann zwei Männer im Visier: Der 38- Jährige Andreas S. aus dem saarländischen Kreis Neunkirchen wird vor einem Haus im saarländischen Sulzbach von Spezialkräften festgenommen. Zuvor hat sich der Verdächtige, dessen Papiere offenbar am Tatort gefunden wurden, über eine Anwältin bei der Polizei gemeldet. Nach dem Wildhändler der laut „Spiegel“ auch eine Bäckerei betreibt, wurde zuvor öffentlich gefahndet. Er war laut Polizei in der Vergangenheit wegen Unfallflucht aufgefallen und soll eine Waffenerlaubnis haben. In dem Haus wird kurze Zeit später ein 32 Jahre alter zweiter Verdächtiger widerstandslos festgenommen. Beide Männer sind der Polizei zufolge Deutsche und äußern sich zunächst nicht zur Sache. Bei Durchsuchungen seien unter anderem Waffen sichergestellt worden.

Der 29-jährige Polizist soll am Tatort noch mehrere Schüsse abgegeben haben. Die Waffe seiner Kollegin kam offensichtlich nicht zum Einsatz, ihre Pistole steckte noch im Holster. Die junge Frau war nach Polizeiangaben sofort tot. Der 29-Jährige habe zunächst noch gelebt, sei aber gestorben, als die Rettungskräfte eintrafen, berichtet ein Polizeisprecher. Beide Opfer stammen aus dem Saarland. Die beiden Polizisten waren als Zivilstreife auf einer Routinefahrt unterwegs, trugen aber Uniformen und Sicherheitswesten.

Die Tat sorgt für Entsetzen. „Wir durchleben gerade den realen Albtraum aller Polizistinnen und Polizisten“, sagt GdP-Landesvorsitzende Sabrina Kunz. Politiker zeigen sich erschüttert. „Unabhängig davon, welches Motiv der Tat zugrunde liegt: Diese Tat erinnert an eine Hinrichtung, und sie zeigt, dass Polizistinnen und Polizisten jeden Tag ihr Leben für unsere Sicherheit riskieren“, sagt Innenministerin Nancy Faeser (SPD).

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz spricht den Familien und den Kolleginnen und Kollegen der Getöteten sein Beileid und sein Mitgefühl aus. Er wolle dies mit einem Wort des Dankes an die Polizei verbinden, sagt Merz: „Sie tun jeden Tag für unser Land, für diese Gesellschaft, für die Menschen in Deutschland Ihren Dienst. Und wie wir in solchen Augenblicken feststellen müssen, ist dieser Dienst nicht ohne Gefahr.“

Am Abend spricht auch Kanzler Olaf Scholz sein Beileid aus. „Mein Mitgefühl gilt den Angehörigen der beiden jungen Opfer“, schreibt er auf Twitter. Er denke auch an die vielen Polizistinnen und Polizisten, die jeden Tag ihr Leben riskieren, um Bürger zu schützen. „Wir müssen die Hintergründe der Tat schnell aufklären.“

Der Ort, an dem die Schüsse fielen, ist am Montag aus der Distanz nicht zu erkennen. Eigentlich sieht es nach einer unverwüstlichen Idylle aus, aber der Eindruck täuscht. Die Polizei warnt an diesem Tag Autofahrer in der Gegend davor, fremde Anhalter mitzunehmen. Hinter einer Unterführung steht ein Fahrzeug der Einsatzkräfte, das Blaulicht glänzt auf dem regennassen Asphalt. Polizisten mit Maschinenpistolen durchkämmen jeden Zentimeter. Drei Kilometer sind es von hier, von der Alten Römerstraße, nach Ulmet, einem kleinen Ort, dessen Höhepunkte ein Gewässerlehrpfad und eine uralte Kelteneiche sind.

Fahles Sonnenlicht fällt auf die kahlen Bäume entlang der Straße, die hier leicht ansteigt. „Der Weg wird gerne als Abkürzung genutzt oder als Schleichweg, wenn einer was getrunken hat“, sagt ein Mann, der in Mayweilerhof vor dem Haus steht. Dass hier zwei Menschen in der Nacht zuvor erschossen wurden, sei erschütternd. „Die Täter waren bestimmt nicht von hier. Wir sind friedliche Leut’“, meint der Mann im Pfälzer Dialekt.

Eine Frau erzählt, sie habe in der Nacht Schüsse gehört. „Wir haben hier immer wieder einmal Jäger und Militärmanöver, aber das klang anders.“ Etwas später habe sie ein Martinshorn gehört. „Ich dachte, da sei ein Unfall passiert. Wer denkt hier bei uns gleich an ein Verbrechen?“

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