Zu Lebzeiten hätte er gewiss ein Fest geschmissen, das seinen Namen verdient. Gustl Bayrhammer, der an diesem Samstag 100 Jahre alt geworden wäre, hat Theater-, Film- und Fernsehgeschichte geschrieben, er war Lebemann, Familienmensch und eben wahnsinnig gern in Gesellschaft. So erinnern sich jedenfalls seine drei Enkel an ihn.
Bayrhammer erlitt am 24. April 1993 während des Mittagsschlafs einen Herzinfarkt und starb in seinem Haus in Krailling, mit 71 Jahren. Der älteste Enkel, Florian, war damals 18 Jahre alt, seine Zwillingsbrüder Fabian und Sebastian 14. Im großen Interview mit unserer Zeitung erzählen sie von der Zeit mit ihrem Opa, von seiner Herzlichkeit und seinem freundlichen Grant, von seiner großen Schauspielkunst und der Frage, was er ihnen mit auf den Weg gegeben hat.
Wie reagieren die Menschen, wenn Sie sich mit Ihrem Namen vorstellen?
Fabian Bayrhammer: Das kommt darauf an, wie alt die Leute sind. Die Älteren fragen schon: Wie – Bayrhammer? Wie der Gustl? Und dann sage ich manchmal: Ja genau, wie mein Opa.
Sebastian Bayrhammer: Viele Jüngere können mit dem Namen dagegen nichts anfangen. Denen muss man ein bisschen auf die Sprünge helfen und fragen: Kennst Du Pumuckl? Ja. Okay. Der Meister Eder war der Gustl Bayrhammer.
Und den wünschte sich ja eigentlich jedes Kind als Opa. Sie hatten ihn – oder hatte Gustl Bayrhammer privat überhaupt nichts von seiner berühmtesten Rolle?
Florian Bayrhammer: Oh doch! Er war eigentlich genauso. Genauso lieb, genauso geduldig, genauso herzlich wie als Meister Eder. Und diesen Grant hatte er manchmal auch (lacht).
Sebastian: Ja, aber immer auf seine nette Art und Weise. Beim Spazieren grüßte er zum Beispiel jeden, indem er seinen Hut kurz anhob und freundlich „Grüß Gott“ sagte. Aber: Wurde der Gruß nicht erwidert, flüsterte er uns Kindern zu, natürlich im Spaß: „So a Saupreiß“.
Fabian: Ja, das stimmt. Da muss ich jetzt meine Brüder direkt was fragen: Habt Ihr das auch noch so im Ohr, dass er immer gesagt hat: „Host mi“?
Florian: Host mi?
Fabian: Ja, das hat er so oft gesagt. Er ist jetzt schon fast 30 Jahre tot, aber dieses „Host mi“, das höre ich noch heute.
Wann haben Sie realisiert, dass Ihr Opa ein Star ist?
Sebastian: Wir haben es lange Zeit überhaupt nicht gewusst. Ich glaube, dass er es auch sehr gemocht hat, dass er für uns nicht der große Schauspieler war, sondern unser Opa. Einfach nur der Opa. Wir haben ihn daheim auch nicht hochgehypt oder so.
Fabian: Der Pumuckl kam raus, da waren wir Zwillinge vier Jahre alt, 1982. Als wir zum ersten Mal bei den Großeltern in Krailling geschaut haben, müssen wir total verdutzt gewesen sein, nach dem Motto: Hä, das ist doch der Opa! Das kam uns komisch vor. Als wir dann in der Grundschule waren, haben wir es irgendwann gemerkt, wie berühmt der Opa ist, weil wir oft gefragt wurden: Kannst du uns ein Autogramm mitbringen?
Und das haben Sie dann auch gemacht?
Fabian: Es war so: Wir sind eigentlich so gut wie jeden zweiten Sonntag zu ihm und unserer Oma gefahren. Nach der Sendung mit der Maus ging’s los, dann haben wir dort Mittag gegessen. Die Oma kochte immer gut und viel: Grießnockerlsuppe zum Beispiel, Schweinsbraten, Salat und eine Nachspeise. Kurz bevor es wieder nach Hause ging, sind wir meist hoch zu ihm ins Büro. Links und rechts von seinem Schreibtisch sind wir gestanden, und er hat Autogrammkarten geschrieben, auch für unsere Klassenkameraden: für Sybille, für Martin und so weiter. Mit Datum. Und Unterschrift. Und diese Karten haben wir am nächsten Tag mit in die Klasse genommen.
Sebastian: Das war immer schön. Wie beliebt er war, wurde uns dann aber vor allem bei seiner Beerdigung bewusst. 1993. Es gab eine öffentliche Trauerfeier am Westfriedhof, da waren so unfassbar viele Leute! Auch viele bekannte Schauspieler. Die eigentliche Beisetzung war dann in sehr kleinem Kreis, nur die Oma, unsere Eltern, wir und ein Trompeter. Ich weiß es noch genau. Für uns Kinder war es damals der erste Trauerfall, den wir in der Familie erlebt haben. Und dann gleich der Opa!
Er hatte ja mit allen Großen gearbeitet, von Toni Berger, Helmut Fischer bis Erni Singerl. Kannten Sie die als Kinder?
Florian: Na klar haben wir manche Kollegen an Festen oder runden Geburtstagen gesehen. Der Willy Harlander war der Patenonkel vom Sebastian. Meiner war der Maxl Graf. Toni Berger kannten wir natürlich auch. Aber Schauspieler wie zum Beispiel den Walter Sedlmayr kannten wir auch nur aus dem Fernsehen. Mit dem hat der Opa privat nichts zu tun gehabt. Insgesamt hat er das Berufliche eher von uns ferngehalten. Als ich mal mit ihm im Circus Krone war und die ganzen Fotografen kamen, da hat der Opa mir ins Ohr geflüstert: „Ned in die Kamera schauen.“ Er wollte uns nicht in der Öffentlichkeit präsentieren. Er wollte Zeit mit uns privat. In Ruhe.
Sebastian: Er war mit Herz und Seele unser Opa. Unsere Großeltern haben sich sogar untereinander mit Oma und Opa angeredet (lacht).
Florian: Hin und wieder nannte er die Oma auch „Oide“ (alle lachen laut auf). Das dürfte ich nicht zu meiner Frau sagen.
Waren Sie bei Dreharbeiten zum Pumuckl dabei?
Florian: Ich durfte nur einmal dabei sein, kurz bevor sie das Haus abgerissen haben, in dem die Werkstatt war. Irgendwann kam der Bagger und tat den ersten Schlag. Da habe ich zu meinem Papa gesagt: Ist der Opa jetzt arbeitslos? Ich dachte wirklich, er ist Schreiner.
Haben Sie inzwischen alle Filme gesehen, die Ihr Opa in all den Jahren gedreht hat? Er hat ja viel mehr gedreht als Pumuckl…
Sebastian: Nein, noch nicht. Ich entdecke immer wieder etwas Neues. Neulich habe ich „Der Sternsteinhof“ gesehen. Da war ich fast ein bisschen erschrocken, weil er einen grummeligen Bauern gespielt hat. Anders als der Meister-Eder-Charakter jedenfalls. Aber das konnte er auch.
Er hatte sein Handwerk einfach gelernt.
Fabian: Sein Vater war auch ein bekannter Hofschauspieler namens Max Bayrhammer. Er gab Schauspielunterricht. Da hat der Gustl sich bestimmt viel abgeschaut, von Kindesbeinen an.
Von Ihnen ist hingegen keiner in die Fußstapfen des Großvaters getreten. Sebastian ist Versuchsmechaniker aktuell bei Knorr-Bremse, Fabian arbeitet in der Entwicklung bei BMW, Florian beim BR in der Produktionslogistik. Die Schauspielerei war nichts für Sie?
Sebastian: In der Hinsicht sind wir alle talentfrei (alle lachen).
Florian: Talent hätten wir vielleicht, aber es wurde nicht geweckt.
Fabian: Wir gehen alle geregelten Berufen nach – und das war auch im Sinne unseres Opas.
Hat er Ihnen das mit auf den Weg gegeben – Kinder, lernt was Gescheites?
Fabian: Ja schon. Lernt’s erst was, und dann schaut, was ihr wollt. Er hat immer gesagt: 2000 arbeitslose Schauspieler fahren Taxi. Diese Zahl hatte er immer parat.
Sebastian: Er selbst wurde ja auch erst im Alter als Schauspieler erfolgreich.
Florian: Das stimmt nicht so ganz. Er hat Theater gespielt vor der Fernsehkarriere. Er hat bei Heinrich George gelernt und ist von Stadt zu Stadt gezogen, von einem Engagement zum nächsten. Entdeckt wurde er dann von der Therese Giehse.
Sebastian: Ja genau, die soll irgendwann zu ihm gesagt haben: „Mei, Bayrhammer, wo haben Sie sich denn so lang versteckt?“
Wer von Ihnen dreien hat am meisten vom Opa geerbt, also was den Typ angeht?
Florian und Fabian: Der Sebastian! Er schaut ihm sicher am ähnlichsten.
Sebastian: Ja, das höre ich tatsächlich öfter. Das liegt aber vielleicht auch daran, dass ich sechs Kilo mehr wiege als mein Zwillingsbruder.
Sie sind um die vielen Bild- und Tonaufnahmen Ihres Opas wirklich zu beneiden. Den meisten bleiben „nur“ Fotos von ihren Lieben, wenn die sterben.
Fabian: Ja, das stimmt. Und gerade seine Stimme war ja auch wirklich unverwechselbar. Den Opa hat man immer sofort rausgehört. Er war einfach insgesamt ein sehr markanter Charakter. Und für uns eben der Opa.
Interview: Stefanie Thyssen