Die Ostukraine, ein Juwel aus Kohle und Stahl

von Redaktion

Der Bergbau lockte einst viele russischsprachige Sowjetbürger in den Donbass. Viele fühlen sich noch immer als Russen

München – Für Wladimir Putin ist die Sache klar: Die Ukraine, so der Kreml-Herrscher in seiner TV-Ansprache, existiere überhaupt nur dank des kommunistischen Revolutionsführers Wladimir Iljitsch Lenin, der vor mehr als einhundert Jahren die Grenzen gezogen habe. „Die heutige Ukraine ist ganz und gar von Russland erschaffen worden“, meint er.

Diese nostalgische Sichtweise Moskaus blendet entscheidende Entwicklungen seit dem Zerfall der Sowjetunion aus: Etwa die staatliche Unabhängigkeit der Ukraine 1991. Oder die aus Frust über die Moskau-hörige, korrupte Kiewer Machtelite entstehende Hoffnung vieler Ukrainer auf eine Annäherung an das freiheitliche, westliche Europa. Doch das wollte Moskau nicht zulassen. Am 21. November 2013 verweigerte der ukrainische Präsident Wiktor Janukowitsch die Unterschrift unter ein Assoziierungsabkommen mit der EU – tausende, vor allem junge Menschen, ließen ihrem Protest auf dem Kiewer Maidan-Platz freien Lauf. Die brutale Reaktion der staatlichen Organe befeuerte den demokratischen Protest weiter. Janukowitsch floh angesichts des immer weiter schwindenden Rückhalts nach Moskau. 2014 schaffte Putin dann eigene Fakten im Nachbarland. Zuerst annektierte er die Halbinsel Krim und unterstützte dann die Separatisten im sogenannten Donbass.

In diesem Bergbaugebiet ist das von Abraumhalden umgebene Donezk die wichtigste Stadt. Es ist eine raue Industriestadt mit rund zwei Millionen Einwohnern. Donezk ist zugleich einer der wichtigsten Stahl-Produktionsorte der Ukraine. Das etwas nördlicher gelegene Luhansk – die zweite nun mit Kreml-Segen unabhängige „Volksrepublik“ – ist ebenfalls eine Industriestadt, in ihr leben rund 1,5 Millionen Menschen. Der Donbass ist nicht nur für seine reichen Kohlevorräte bekannt und deshalb wirtschaftlich äußerst wichtig. Das Gebiet hat auch Zugang zum Asowschen Meer. In der abtrünnigen Region leben hauptsächlich russischsprachige Menschen. Geschichtliche Ursache dafür ist, dass in Zeiten der Sowjetunion viele russische Arbeiter in die dortigen Bergwerke geschickt wurden.

Aktuell leben in der Ostukraine etwa 3,6 Millionen Menschen. Seit 2019 haben rund 600 000 Bürger der Region nach einem Erlass von Putin in einem erleichterten Verfahren russische Pässe erhalten. Dass dort so viele russische Staatsbürger leben, benutzt Moskau unter anderem als Legitimation für sein Vordringen. Viele Bewohner der Region nutzen aber auch ihre ukrainischen Pässe, um etwa reisen oder Renten beziehen zu können. Die humanitäre Situation gilt auch wegen der Corona-Pandemie als katastrophal.

Die Ukraine hat den östlichen Landesteil seit 2017 mit einer Wirtschaftsblockade belegt, weshalb es dort lange zu schwersten Versorgungsproblemen gekommen war. Ziel: die Gebiete durch wirtschaftliche Not unter Druck zu setzen und zur Rückkehr zu bewegen. Die russischsprachigen Bewohner werfen der Zentralregierung in Kiew nationalistische Tendenzen und die Beschneidung von persönlichen Rechten vor. Zurückgedrängt wurde etwa die russische Sprache. Bis heute lehnt die Regierung in Kiew direkte Gespräche mit den Separatisten ab.

Wegen der Wirtschaftsblockade hat sich die Region immer stärker Russland zugewandt: So werden Löhne und Gehälter sowie Renten, die im Schnitt übrigens höher als im Rest der Ukraine sind, in Rubel ausgezahlt. Abgeschnitten ist die Region auch vom ukrainischen und internationalen Bankensystem. Waren des täglichen Bedarfs kommen nur über die russische Grenze.  aw/dpa/afp

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