Spenderherzen aus dem Schweinestall

von Redaktion

VON SUSANNE STOCKMANN

Oberschleißheim – Hunderte Deutsche sterben jedes Jahr, weil es kein Ersatzorgan für sie gibt. Auch Herzpatienten. Zwar spendeten 320 Menschen in Deutschland im Jahr 2020 ihr Herz, aber das deckt nicht einmal die Hälfte des Bedarfs. Abhilfe könnten artfremde Organe schaffen. Xenotransplantation nennt man die Übertragung von Gewebe zwischen unterschiedlichen Spezies, also auch vom Tier zum Menschen.

Dass das Ziel vielleicht nah, aber noch nicht erreicht ist, zeigt die Geschichte des US-Amerikaners David Bennett (57), dem Anfang Januar im Maryland Medical Center Baltimore ein gentechnisch verändertes Schweineherz eingesetzt worden war – als erstem Menschen überhaupt (siehe Kasten). Am Dienstag starb Bennett, woran genau, wird nun untersucht.

Auch in München werden Schweine als Lebensretter gezüchtet. Die 20 „Auckland Island Pigs“, die in einem Stall der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in Oberschleißheim aufwachsen, sind kleiner als Hausschweine und sollen ein neues Kapitel in der Xenotransplantation aufschlagen. Auch Nieren oder Bauchspeicheldrüsenzellen sollen sie eines Tages liefern.

Größe des Herzens so wie beim Menschen

Seit 27 Jahren leitet Professor Eckhard Wolf den Lehrstuhl für Molekulare Tierzucht und Biotechnologie am Genzentrum und an der Tierärztlichen Fakultät der LMU. Er erforscht die Möglichkeiten der Xenotransplantation. Ob er in seinem Berufsleben die Anwendung in Deutschland noch erleben werde? „Ich bin sehr zuversichtlich“, sagt der Professor.

Da die Auckland-Schweine nur rund 80 Kilo wiegen, entspricht die Größe ihres Herzens dem menschlichen Organ. Damit ersparen sich die Forscher eine Genveränderung, mit der das Wachstum eingeschränkt wird. Weiterer Vorteil: Da sich die Tiere 200 Jahre lang auf einer kleinen Insel vermehrt haben, sind sie einander genetisch sehr ähnlich und frei von bestimmten Viren im Erbgut, die den Forschern früher große Sorgen bereiteten.

Zwei Zell-Linien haben sich die Münchner aus Neuseeland schicken lassen, daraus klonten sie drei Eber und vier Sauen, die sich wieder vermehrt haben. Rund 350 Schweine verschiedener Rassen leben inzwischen im sogenannten Moorversuchsgut. Es sind die wohl saubersten Schweine in Deutschland: Wer sie besuchen will, muss duschen und sterilisierte Kleidung überziehen. „Wir wollen keine Krankheitserreger einschleppen“, erklärt Wolf. „Aber natürlich ist auch wichtig, dass die Schweine artgerecht leben.“

Aus hygienischen Gründen werden sie nie an die frische Luft kommen oder sich im Erdreich suhlen. „Unsere Tiere bekommen neben anderem Spielzeug Heu und Erde, die vorher sterilisiert wurden“, sagt Wolf. Während die Eber in großen Einzelbuchten mit Sicht- und Geruchskontakt zu Artgenossen leben, sind die Sauen in Gruppen untergebracht. „Die Tiere haben ihre Ruhebereiche und die Möglichkeit, sich frei im Laufbereich zu bewegen.“

Die meisten Schweine werden nach sechs bis sieben Monaten, wenn die Testreihen zu Ende sind, eingeschläfert. Sogenannte Gründertiere, also genveränderte Sauen und Eber, die für Nachkommen sorgen, leben mehrere Jahre. Bei den Auckland Island Pigs werden derzeit die ersten genetisch veränderten Zellkerne fürs Klonen verwendet. Die dabei entstehenden Schweine werden zu Gründertieren der neuen Kolonie. Die geborenen Ferkel tragen dann die veränderten Gene in sich, wären also schon geeignete Organspender.

Etwa zwei Drittel der Schweine leben mit Veränderungen im Erbgut. Die Tiere werden den Menschen genetisch angeglichen, sodass ihre Organe später vom menschlichen Immunsystem besser akzeptiert werden. „Das spüren sie nicht, und man sieht es ihnen auch nicht an“, sagt Wolf. Im Labor neben dem Stall werden in Zellen Gene ausgeschaltet oder neue Gene in den Zellkern eingebaut. Für den Einsatz am Menschen müssen mindestens ein Schweine-Gen ausgeschaltet und zwei menschliche Gene eingefügt werden. So ist es wichtig, die Oberfläche des Schweineherzens vom Zuckermolekül Gal zu befreien. Gegen Gal hat jeder Mensch Antikörper, die zu einer massiven Abstoßung führen. Eines der hinzugefügten menschlichen Gene vermindert die Abstoßung, das andere verhindert Gerinnsel.

An dem Schwein, dessen Herz Bennett verpflanzt wurde, hatten die US-Forscher zehn Gen-Veränderungen vorgenommen. Wolf will diesem Beispiel nicht folgen. „Wir wollen so wenig Veränderungen wie möglich, daher setzen wir ja auch auf die kleinen Auckland Island Pigs und ersparen uns das Ausschalten eines Wachstumsgens.“ In Baltimore sei zudem das Organ eines geklonten Tieres eingesetzt worden. „Wir jedoch verwenden geklonte Tiere nur als Gründertiere und züchten mit ihnen die Schweine, die als Organspender infrage kommen werden. Bei Klon-Tieren weiß man, dass Genveränderungen auf Molekularebene nicht immer ganz zuverlässig arbeiten.“

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