Holzkirchen/Fürstenfeldbruck – Eine Totalflaute ist es noch nicht. Aber die Mitarbeiter des Supermarkts in Holzkirchen im Kreis Miesbach kommen schon morgens kaum mit dem Auffüllen von Sonnenblumenöl und Mehl nach. Eine große Palette Mehl steht kaum im Gang, da fragt schon eine ältere Dame, ob die Folie gleich entfernt wird. Wird sie – und die Kunden greifen kräftig zu. „Ich backe viel und will nicht, dass das Mehl ausgeht“, sagt die 67-Jährige. „Ich gehöre eben der älteren Generation an, die noch Vorräte für zwei, drei Wochen daheim hat.“
Anderen Kunden geht es ums Sonnenblumenöl. Ein Mann kauft gleich eine ganze Schachtel – und sonst nichts. Warum? Er winkt ab und geht. Es sind Szenen, die an den ersten Corona-Lockdown erinnern. Damals war es Klopapier, das gehamstert wurde. „Bedanken Sie sich bei Putin“, sagt eine Verkäuferin und räumt weiter die Regale ein. Gegen 10.30 Uhr berichten Kunden dann, dass das Sonnenblumenöl alle sei.
Solche Szenen spielen sich derzeit vielerorts ab. Im Kaufland in Weilheim waren die Regale am Montag noch gut gefüllt, doch wo sonst eine Palette Thomy-Sonnenblumenöl steht, herrscht nun gähnende Leere. Ebenso beim Rosenmehl: alles ausgeräumt bis auf Dinkelmehl und teure Speiseöl-Marken. Im Kaufland in Geretsried sind Nudeln immer wieder knapp. Teilweise gibt es nur noch teure Marken. Das Ölregal glänzt ebenfalls durch Leere. In Starnberg kostete am Dienstag Rapsöl teilweise über vier Euro.
Auch die Gastronomie ist betroffen. Qasim Husseini, 46, betreibt seit sieben Jahren das „Fair Pizza“ in Fürstenfeldbruck. Er stammt aus dem Iran und hat sich mit dem Lieferservice ein florierendes Geschäft aufgebaut. Die Benzinpreise belasten seine drei Autos – und jetzt auch noch Speiseölkrise. Vier bis fünf Liter braucht er pro Tag, jeden Freitag fährt er in den Metro-Markt nach München. Bislang nahm er meist 45 Ein-Liter-Flaschen mit. Seit einer Woche ist die Abgabe auf zwölf Flaschen beschränkt. Nun muss Husseini auf „ein bisschen Entgegenkommen“ an der Kasse hoffen.
Auf Ebay versuchen einige, Profit zu machen. Ein Verkäufer veranschlagte für 0,75 Liter Thomy-Sonnenblumenöl stolze 15 Euro plus 7,50 Euro für den Versand. Ein anderer bot drei Liter aro-Sonnenblumenöl an. Einen Tag vor Auktionsschluss waren bereits 27,50 Euro geboten, plus fünf Euro Versand. Ist Sonnenblumenöl das neue Toilettenpapier? Für Christian Böttcher vom Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels ist die Antwort klar: „Nein, das braucht jeder, Sonnenblumenöl wohl eher nicht.“ Trotzdem sei das Angebot gerade kleiner als die Nachfrage. Die leeren Regale lösen offenbar so wie bei der Corona-Klopapier-Hysterie vor zwei Jahren eine Kettenreaktion aus: Aus Sorge, beim nächsten Mal kein Mehl oder Öl mehr zu bekommen, kaufen Kunden mehr, als sie brauchen. Die Regale sind dann wieder leer – und das Hamstern geht weiter. „Das Liefer- und Logistikgefüge ist gestört“, sagt Böttcher. „Die nächsten drei Wochen werde es für Verbraucher schwierig, an Sonnenblumenöl zu kommen.“ Einige Supermärkte greifen schon ein. Je nach Situation können Kunden bei Aldi Süd etwa nur mehr eine bestimmte Anzahl an Flaschen kaufen. Edeka will vorerst nicht rationieren.
Böttcher rät zur Besonnenheit. Die Kunden sollten Produkte nur in haushaltsüblichen Mengen einkaufen. Vielen Kunden in Holzkirchen bleiben auch gelassen. Zum Beispiel Marianne Betzinger. Sonnenblumenöl und Mehl stehen nicht auf dem Einkaufszettel der 55-Jährigen. „Dass die Regale fast leer sind, ist mir aber schon beim letzten Einkauf aufgefallen“, berichtet sie. Betzinger betreibt einen Hofladen im benachbarten Warngau. „Wir verkaufen Mehl aus der Region – und merken auch da, dass die Nachfrage steigt.“
Auch Sarah G. sind „ausgehamsterte“ Regale aufgefallen. „Wir haben aber alles noch daheim und machen uns keine Sorgen, dass wir das bald nicht mehr kaufen können“, sagt die 28-Jährige aus Otterfing. Windeln habe sie zum Glück noch bekommen, eine Freundin habe ihr erzählt, dass die in München gerade knapp werden.
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