„Die Vorstufen von Cybermobbing gibt es in jedem Klassenchat“

von Redaktion

Schikane im Internet: Eine Expertin vom Kinderschutzbund erklärt, was Opfer unternehmen und wie Eltern vorbeugen können

VON ALEXANDRA PÖHLER

München – Hass und Hetze sind auch unter Kindern und Jugendlichen ein großes Problem – besonders im Internet. Schikanierende Fotos in Chats, beleidigende Nachrichten und sogar Aufforderungen zu physischer Gewalt – diese Taten haben einen Namen: Cybermobbing.

In sozialen Netzwerken werden Betroffene meist über Monate belästigt, genötigt oder diffamiert. Die Täter sind oft andere Kinder und Jugendliche, die sich durch das vermeintlich anonyme Internet sicher fühlen. Die Hemmschwelle ist daher oft gering.

Doch solche Taten können vermieden werden, sagt Daniela Riedel vom Kinderschutzbund Landesverband Bayern, „die Kompetenz der Kinder muss gestärkt werden, sie müssen sensibilisiert werden, was solche Taten bei anderen auslösen“. Riedel ist Projektleiterin für Medienkompetenz und besucht Schulklassen, um mit Kindern über soziale Medien wie Whatsapp oder Tiktok zu sprechen.

Wie wichtig es ist, Kinder für das richtige Verhalten im Netz und mögliche Straftaten zu sensibilisieren, zeigt eine Studie des Bündnisses gegen Cybermobbing und der Techniker Krankenkasse. Nach Angaben der Eltern war bereits jedes vierte Kind mit Cybermobbing konfrontiert – als betroffene Person oder weil sie es bei anderen mitbekommen haben. 17,3 Prozent der Schüler gaben an, bereits Opfer von Cybermobbing-Attacken gewesen zu sein. Tendenz steigend. Ein Faktor könnte die Corona-Pandemie gewesen sein. Daniela Riedel sagt, Kinder wurden durch die Pandemie und Online-Unterricht eher mit Laptop und Co. ausgestattet. Sie haben mehr Zeit im Internet verbracht und „Eltern waren vielleicht auch mal ganz froh, wenn das Kind beschäftigt war“.

In jeder Schulklasse würde es mittlerweile einen Klassenchat geben, sagt Daniela Riedel. „Die Vorstufen von Cybermobbing gibt es in jedem dieser Chats“. Das seien dann Beleidigungen oder peinliche Fotos.

Wie können Eltern bemerken, dass ihr Kind betroffen ist?

Riedel rät, eine vertrauensvolle Basis zu schaffen. Kinder sollen immer das Gefühl haben, mit ihren Eltern über alle Themen sprechen zu können. Wenn ein Kind sich dann anders verhält, sollte man es ansprechen. „Ein fröhliches Kind ist auf einmal still oder es will nicht mehr in die Schule, klagt über Kopf- und Bauchschmerzen – das können Anzeichen sein, dass etwas nicht stimmt.“ Es sei in der Tat ein Kunstgriff zu erkennen, was los ist, sagt Riedel. „Daher ist es wichtig, dass das Kind weiß, dass es offen über Themen wie Cybermobbing reden kann.“

Sagt ein Kind, dass es in Chats oder im Netz gemobbt wird, sollten Eltern verständnisvoll reagieren: „Auf keinen Fall sollte man dem Kind die Schuld zuweisen oder die Taten verharmlosen. Es ist wichtig, das Kind ernst zu nehmen, ihm zu sagen: Wir sind da, wir hören dir zu und unterstützen dich.“

Die Expertin sagt, der richtige Weg sei dann, die Schule und deren Sozialarbeit zu kontaktieren. „Eltern sollten nicht den Fehler machen, den vermeintlichen Täter selbst anzusprechen oder dessen Eltern zu kontaktieren.“ Riedel rät Eltern auch, gemeinsam mit ihren Kindern zu besprechen, welche App ab welchem Alter angemessen ist. Am Handy lässt sich beispielsweise einstellen, dass das Herunterladen von Apps gesichert ist. „So haben Eltern die Kontrolle, welche Apps ihre Kinder nutzen.“

Bei diesen Altersbegrenzungen liegt laut Riedel gerade auch das Problem. Whats-app ist beispielsweise erst ab 16 offiziell zugelassen, Instagram und Tiktok ab 13 Jahren. Weil in Deutschland aber die FSK-Hinweise schrittweise – ab 0, 6, 12 und 16 – erfolgen, stehe im Appstore, die Apps seien ab 12 Jahren. „Das ist völlig undurchsichtig. Ich fordere klare Richtlinien und Transparenz im Bezug auf die Altersangaben bei Apps. Außerdem müsste die Politik die App-Betreiber dazu auffordern, den Zugang zu überprüfen.“

Ist Cybermobbing eigentlich strafbar?

Cybermobbing ist zwar keine eigene Straftat, Täter können aber für Straftaten wie Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung – wie im realen Leben auch – angeklagt werden. Auch Täter, die jünger als 14 Jahre sind, können belangt werden: zwar nicht strafrechtlich, dafür aber zivilrechtlich, sagt Riedel.

Das sind Hilfsangebote für Kinder und Eltern

Nummer gegen Kummer:

116 111

Elterntelefon: 0800 1110 550

www.jugend.support.de

www.cybermobbing-hilfe.de

www.handysektor.de

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