München – Wegen des Ukraine-Krieges schießen die Energiepreise in die Höhe. In einer zehnstündigen Marathonsitzung hat der Koalitionsausschuss um Entlastungen für die Bürger gefeilscht. „Zur Ehrlichkeit gehört dazu, dass wir in diesen schwierigen Zeiten nicht wissen, was alles auf uns zukommt“, sagte Grünen-Chefin Ricarda Lang, „und dass wir nicht jede Belastung auffangen werden können.“ Auf einige Maßnahmen konnten sich die Spitzen der Ampel bereits einigen. Geplant sind auch Schritte, um vom russischen Gas unabhängig zu werden. Das Entlastungspaket und die Energiepläne im Überblick.
Energiepreispauschale: 300 Euro für jeden
Jeder Erwerbstätige in Deutschland soll einmalig 300 Euro vom Staat bekommen. Damit sollen die Belastungen der Bürger an der Zapfsäule, im Supermarkt und beim Heizen „abgefedert“ werden, wie SPD-Chef Lars Klingbeil sagte. „Für uns Sozialdemokraten ist das das Kernstück dieser Verabredung.“ Die Pauschale sollen alle Bürger in den Steuerklassen 1 bis 5 erhalten. Das Ganze soll unbürokratisch funktionieren: Arbeitnehmer bekommen die 300 Euro als Zuschuss zum Gehalt ausgezahlt – die Auszahlung läuft also über die Lohnabrechnung. Selbstständige sollen die Pauschale über eine Senkung ihrer Steuer-Vorauszahlung bekommen. „Die Pauschale unterliegt der Einkommensteuer“, heißt es außerdem im Beschluss.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband beklagte hier eine „soziale Schieflage“ – denn noch ist unklar, wie Rentner oder Minijobber von der Regelung profitieren könnten. Auch die Münchner Jusos sehen hier eine Ungerechtigkeit: Die Entlastung komme bei Schülern, Azubis und Studenten nicht an. Diese würden „ebenfalls unter den allgemeinen Preissteigerungen“ leiden, heißt es.
Familienzuschuss: 100 Euro pro Kind
Zusätzlich zur Energiepreispauschale sollen Familien einen „Einmalbonus“ in Höhe von 100 Euro pro Kind erhalten. Das Geld wird auf den Kinderfreibetrag angerechnet. Auch Sozialhilfe-Empfänger sollen einen Bonus von 100 Euro bekommen – dieses Geld kommt auf die bereits beschlossene Einmalzahlung von 100 Euro oben drauf. Die Diakonie hält die Idee für „sozial nicht ausgewogen“: Die Einmalzahlung sei zu gering, zumal Sozialhilfe-Empfänger die Energiepreispauschale von 300 Euro nicht erreiche. Fairer, so die Diakonie, seien 100 Euro monatlich für ein halbes Jahr.
Das 9-Euro-Ticket für drei Monate
„Bus und Bahnfahren wird so billig, wie es in Deutschland wahrscheinlich noch nie war“, sagt Grünen-Chefin Lang. Alle Bürger sollen für einen Zeitraum von 90 Tagen ein Nahverkehrs-Ticket für nur neun Euro im Monat bekommen. Der Bund will den Ländern das Geld dafür zur Verfügung stellen. Unklar ist noch, wie die Bürger das 9-Euro-Ticket erhalten können. Die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) wusste gestern noch nichts über den Beschluss der Ampel. Auch wie Abonnenten von Monats- oder Jahrestickets berücksichtigt werden sollen, ist noch offen. In den nächsten Tagen sollen aber Abstimmungsrunden mit Bund, Ländern und Verbundpartnern stattfinden, sagte eine Sprecherin des Münchner Verkehrsverbundes MVV.
Steuern runter – der Sprit wird günstiger
An der Zapfsäule sollen Bürger in Zukunft weniger zahlen. „Wir werden den Spritpreis reduzieren“, verspricht Finanzminister Christian Lindner (FDP). „Beim Benzin um 30 Cent pro Liter und beim Diesel um 14 Cent pro Liter.“ Die Regierung senke die Energiesteuer auf das „europäische Mindestmaß“. Lindner versprach außerdem, dass nur Verbraucher von der Steuersenkung profitieren sollen – und nicht die Mineralölkonzerne. Man wolle gezielt „die Menschen, die auf das Auto angewiesen sind“, also Pendler, Familien und Gewerbetreibende, mit den steigenden Spritpreisen „nicht im Stich lassen“, sagte Lindner. Auch diese Entlastung soll für nur drei Monate gelten.
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) ist das zu wenig. „Benzin und Diesel müssen auf deutlich unter zwei Euro gedrückt werden“, sagte er. „Davon sind wir mit diesen halbherzigen Maßnahmen weit entfernt.“ Man müsse zusätzlich zur Energiesteuer auch die CO2-Abgabe und die Mehrwertsteuer senken.
Gas-Ausstieg mit Kohle und Erneuerbaren
Wenn Deutschland von Putins Gas und Öl unabhängig werden will, müsse man die Erneuerbaren Energien massiv ausbauen, sagte Grünen-Chefin Lang. Es gehe vor allem darum, „Effizienz zu setzen“ – und dafür müsse der Bund den Ausstieg aus dem Gas „jetzt angehen“.
Ab Januar 2024 soll deshalb „möglichst jede neu eingebaute Heizung“ in Deutschland zu 65 Prozent mit Erneuerbaren Energien betrieben werden. „Dafür haben wir als Grüne lange gekämpft“, so Lang. Der Bund finanziere zudem ein Austauschprogramm von Gasheizungen hin zu Wärmepumpen, damit Bürger „unabhängig vom Geldbeutel“ energieeffizient leben könnten.
Ab Anfang 2023 soll zudem der „Effizienzstandard 55“ bei allen Neubauten vorgeschrieben werden. Ein KfW-55-Haus benötigt 45 Prozent weniger Energie als ein Haus nach derzeitigem Neubaustandard. Die Bundes-Verbraucherzentrale begrüßt den Schritt – es sei aber „ärgerlich“, dass die Bundesregierung die Höhe der Unterstützung „völlig offengelassen“ habe.
Die Regierung will auch die Stilllegung der Kohlekraftwerke aussetzen und diese „länger in der Sicherheitsbereitschaft halten“. Am Ziel, „idealerweise bis 2030“ aus der Kohle auszusteigen, hält die Koalition aber fest.