„In erster Linie wollen wir unser Gelübde einhalten“

von Redaktion

INTERVIEW Bürgermeister Andreas Rödl über die Bedeutung der Passion – und ihr berüchtigtes Flirt-Potenzial

Andreas Rödl, 36, war früher Polizist, seit 2020 ist er für die CSU Bürgermeister von Oberammergau. Rödl singt bei der Passion im Chor.

Herr Rödl: Was ist eigentlich Ihre erste Erinnerung an die Passionsspiele?

Als Fünfjähriger war ich 1990 beim Einzug in Jerusalem auf dem Arm meines Papas mit dabei. Ich hatte das Gefühl, die 4500 Augenpaare im Publikum schauen nur mich an. Das war total irre und ist mir im Gedächtnis geblieben.

Lampenfieber?

Um Lampenfieber zu haben, bleibt kaum Zeit. Ich bin Tenor im Chor. Wir proben jedes Wochenende und bald noch öfter. Zum Glück gibt es „Schmiermittel“ für die Stimme. Mit der richtigen Atemtechnik bräuchte man die eigentlich gar nicht. Das sehe ich an meinem sieben Monate alten Sohn Fritz, der nie heiser wird. (lacht)

Sie singen also noch gar nicht so lange?

Im Schulchor habe ich früher mal gesungen. Für die Passion habe ich mich angemeldet, weil Tenöre gesucht wurden. Meine Mutter hat früher solo gesungen – irgendwas wird schon hängen geblieben sein, dachte ich mir. Als 2018 die Proben starteten, wurde mir klar: So einfach aus der Schulter raus geht das nicht. Mittlerweile bin ich wieder drin und singe am liebsten die Stücke vom Kreuzweg.

Ist Ihr Sohn Fritz heuer auch schon mit dabei?

Er ist fest eingeplant und darf seine erste Passion auf jeden Fall miterleben. Wie, überlegen wir noch. Meine Frau Lena ist Herodesdienerin, mein Schwiegervater singt Bass, meine Schwiegermama steht an der Garderobe. Meine Mutter darf heuer aber nicht mitspielen. Sie muss auf ihren Enkel aufpassen. (lacht)

Wie bereitet sich die Gemeinde vor?

Nach der Passion ist vor der Passion. Die Vor- und Nachbereitungen dauern jeweils Jahre. Dieses Mal beschäftigt uns aber vor allem das neue Sicherheitskonzept, das wir mit Polizei, Feuerwehr und Sanitätsdienst erarbeitet haben. 2010, als die letzte Passion stattfand, waren die Zeiten noch anders. Nach dem Loveparade-Unglück und mehreren Terroranschlägen brauchen auch wir Videokameras, Poller, die die Zufahrten sichern, und Sicherheitspersonal. Größere Taschen und Gepäck sind verboten.

Die Passionsspiele sind auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für den Ort.

In erster Linie wollen wir unser Gelübde einhalten. Aber klar, die Passion ist auch unsere Haupteinnahmequelle und für viele Unternehmen im Ort enorm wichtig. Bei Vollauslastung kommen 450 000 Zuschauer. 2010 haben wir 40 Millionen Euro Gewinn gemacht. Andere Orte haben Großkonzerne, die Gewerbesteuer zahlen, wir eben die Passion. 75 Prozent der Karten sind schon verkauft.

Stärkt die Passion die Dorfgemeinschaft?

Klar. Ein Drittel unserer 5422 Einwohner spielt mit – und das Projekt bringt sie zusammen. Im wahrsten Sinne des Wortes: Meine Eltern haben sich bei den Passionsspielen 1980 kennengelernt. Meine Frau und ich uns 2010. Es ist das gesellschaftliche Event. Viele, die außerhalb studieren oder arbeiten, kehren zur Passion zurück. Es soll sogar junge Leute geben, die Single bleiben wollen, um erst hier jemanden kennenzulernen. Interview: Cornelia Schramm

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