Schlacht um den Donbass hat begonnen

von Redaktion

VON ANATOLY STEPANOV, ULF MAUDER & ANDRÉ BALLIN

Kiew/Moskau – Lange hatten sich die russischen Truppen neu formiert und wieder verstärkt. Nun ist der Krieg in seine zweite Phase eingetreten. Russland will den Osten der Ukraine vollständig erobern, seit der Nacht rollt der erwartete Großangriff. Russland vermied bisher den Begriff Offensive. Außenminister Sergej Lawrow bestätigte aber, dass die nächste Phase der „Spezial-Operation“ begonnen habe.

Das Verteidigungsministerium in Moskau berichtete am Dienstag von massiven Luftangriffen. „Hochpräzise luftgestützte Raketen“ hätten 13 ukrainische Stellungen in Teilen des Donbass getroffen. Bei weiteren Luftangriffen seien „60 militärische Einrichtungen“ getroffen worden, darunter auch welche in Städten nahe der östlichen Frontlinie. Nach Angaben des Ministeriums zerstörten russische Truppen zwei Lagerhäuser mit Sprengköpfen von taktischen Toschka-U-Raketen in den Regionen Luhansk und Charkiw. Allein in der Nacht seien 1260 militärische Ziele durch Raketen und Artillerie getroffen worden.

Erneutes Ultimatum an Kämpfer in Mariupol

Am späten Montagabend hatte die ukrainische Seite bekannt gegeben, dass die russische Offensive im Osten der Ukraine begonnen habe. „Wir werden uns verteidigen“, kündigte Präsident Wolodymyr Selenskyj im Messengerdienst Telegram an.

Der Gouverneur der Region Luhansk, Serhij Gajdaj, rief seine Landsleute eindringlich zur Flucht aus dieser „Hölle“ auf. „Tausende Einwohner von Kreminna haben es nicht mehr geschafft zu fliehen und jetzt sind sie Geiseln der Russen“, sagte er. Dem Gouverneur zufolge wurde die Kleinstadt Kreminna von der russischen Armee eingenommen. In der Region Donezk rückten die Russen nach ukrainischen Angaben in Richtung Marijnka, Otscheretyne und Awdijiwka vor. „Die Lage an der Front ist schwierig, aber unter Kontrolle“, erklärte Gouverneur Pawlo Kyrylenko am Dienstag auf Telegram. Auch im seit Wochen umkämpften Mariupol werde gekämpft, sagte er. „Es finden Straßenkämpfe statt, und dies nicht nur mit Kleinwaffen, sondern es gibt auch Panzerschlachten auf den Straßen der Stadt.“ Stadtviertel, in denen viele ukrainische Kämpfer seien, stünden unter „schwerem Beschuss, doch die Verteidigung hält stand. In einigen Stadtteilen gehen die Straßenkämpfe weiter“. Laut Kyrylenko hat die russische Armee Mariupol nicht unter Kontrolle.

Heftigen Widerstand leisten auch die verbliebenen ukrainischen Kämpfer im Mariupoler Asow-Stahlwerk. Der Kommandeur der separatistischen Kräfte aus Donezk, Eduard Bassurin, meldete am Dienstag, russische „Angriffstruppen“ hätten mit Unterstützung der Artillerie und der Luftwaffe einen teilweisen Vorstoß auf den Fabrik-Komplex gestartet. Russland stellte den Soldaten erneut ein Ultimatum und verkündete am Nachmittag eine einseitige Feuerpause für Mariupol, wo sich noch etwa 100 000 Menschen aufhalten sollen. Zugleich öffneten sie einen humanitären Korridor, damit ukrainische Kämpfer und auch Zivilisten sicher herauskommen können. Generaloberst Michail Misinzew gab allen, die ihre Waffen niederlegen, eine Garantie für „Leben, völlige Sicherheit und medizinische Versorgung“. Die ukrainischen Streitkräfte bekräftigten jedoch, weiter kämpfen zu wollen. Sie hatten bereits am Wochenende ein solches Ultimatum verstreichen lassen.

Russland: Westen zieht Krieg in die Länge

Verteidigungsminister Sergej Schoigu warf dem Westen vor, mit seinen Waffenlieferungen den Krieg zu verlängern. „Die USA und die von ihnen kontrollierten westlichen Länder tun alles, um die militärische Spezial-Operation zu verzögern“, sagte er nach Angaben der Agentur Interfax in Moskau. Russlands Streitkräfte würden „ihren Plan zur Befreiung der Volksrepubliken Donezk und Luhansk konsequent erfüllen“.

Der Gouverneur des ostukrainischen Gebiets Luhansk, Serhij Hajdaj, sprach von einer schwierigen Situation. „Unsere Verteidiger halten die Verteidigungslinie“, sagte er im ukrainischen Fernsehen. Angriffe bei Rubischne und Popasna seien zurückgeschlagen worden. Gleichzeitig rief er die Einwohner auf, sich in Sicherheit zu bringen. Die Behörden versuchten, Busse zu organisieren, die Menschen zu bereitgestellten Zügen bringen. Es sollen noch 70 000 Menschen in dem Gebiet ausharren.

Russland verstärkte zuletzt auch wieder seine Angriffe im Westen des Landes. Bei Raketenangriffen auf Lwiw wurden nach ukrainischen Angaben mindestens sieben Menschen getötet.

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