In keiner chinesischen Stadt leben so viele westliche Ausländer wie in Peking. Das umgebende Yangtse-Delta ist eine Hochburg der China-Produktion deutscher Unternehmen. Viele internationale Unternehmen haben hier ihr Fernost-Hauptquartier. Bisher galt die Metropole als mondänste im Land, hart arbeiten und hart feiern war für viele der „Expatriates“ das Motto. Doch nun sitzen sie ebenso wie die gut 25 Millionen Shanghaier in ihren Wohnungen und Häusern fest – mit den gleichen Problemen wie alle.
„Momentan versammeln sich die Expats online und versuchen krampfhaft, Charterflüge zu organisieren. Man versucht sich gegenseitig zu helfen: Wo bekommst du deine Windeln her? Wo kriegst du Gemüse her? Das ist alles extrem schwierig zu organisieren“, sagt Jörg Wuttke, Präsident der EU-Handelskammer in China. „Die Stimmung ist auf dem Nullpunkt. Shanghai als die urbanste, die am besten organisierte Stadt Chinas hat in Rekordtempo ihren Glanz verloren.“
Während manche sich im Lockdown eingerichtet haben, sind andere nervös. Es gibt keine internationalen Flüge mehr von und nach Shanghai – und praktisch keine Taxis zu den Flughäfen. Einer der wenigen, der Anfang April aus Shanghai herausfliegen konnte, ist Ingo Matter. Der Deutsche betreibt einen Motorsport-Rennstall mit Sitz in Shanghai. Matter ergatterte ein Ticket nach Singapur, von wo aus er nach Europa weiterreisen konnte. „Auf dem Weg zum Flughafen waren wir das einzige Auto auf der Straße“, sagt er. Nur über Bekannte habe er von einer Firma erfahren, die eine Sondergenehmigung für Fahrten zum Flughafen besaß. Auch U-Bahnen fahren nicht. „Es war schon surreal“, sagt er.
Als er den für die Einreise nach Singapur nötigen PCR-Test machen musste, fuhr er mit seinem Wagen in die Klinik. Dafür brauchte er eine Sondererlaubnis und wurde an der Strecke zweimal kontrolliert, ob die Gesundheits-App weiterhin grün sei. Bei Gelb und Rot drohen Sofort-Test und Quarantäne.
Doch die meisten Ausländer müssen bleiben. Wegen der chinesischen Einreisebestimmungen mit Pflichtquarantäne für alle Ankömmlinge reisen vor allem Familien nicht in die Heimat – weil sie bei der Rückkehr drei Wochen Quarantäne in einem Hotelzimmer aushalten müssten, vor allem für kleine Kinder eine Tortur. CHRISTIANE KÜHL