Der Wiesn droht die Hendl-Krise

von Redaktion

Diese Woche fällt die Entscheidung, ob das Fest stattfindet: Die Wirte ängstigt bereits die Gasknappheit

VON KATHRIN BRAUN

München – Es ist die Milliarden-Euro-Frage für München und die Region. Oktoberfest 2022 – ja oder nein? „Es gibt kein Argument gegen die Wiesn 2022“, sagt Wiesn-Referent Clemens Baumgärtner (CSU). Doch Bürgermeister Dieter Reiter (SPD) und die Stadt wollen erst diese Woche entscheiden, ob das größte Volksfest der Welt nach zweijähriger Pandemie-Pause wieder über die Bühne gehen darf. Es könnte sehr gut sein, dass das Oktoberfest stattfindet – aber vieles anders ist als sonst. Und damit ist nicht Corona gemeint. Sondern die Sache mit den Hendln.

Denn die nächste Krise wirft bereits jetzt einen Schatten auf die Wahrscheinlich-Wiesn: Seit dem Angriff auf die Ukraine schießen die Energiepreise in die Höhe – und laut Toni Roiderer, Wirt des Hacker-Zelts, werden in den 16 Tagen auf der Theresienwiese gut 200 000 Kubikmeter Gas verbraucht. Davon geht vieles für Heizungen, Öfen und Heizstrahler, aber auch für Hendlgrills drauf. Mehr als eine halbe Million Hendl werden im Schnitt auf der Wiesn verspeist (siehe rechts) – ist das in Zeiten der Gasknappheit noch denkbar?

„Wie viel teurer das Gas bis zum Herbst sein wird, weiß man natürlich nicht“, sagt Roiderer. „Aber man wird das aufs Produkt umlegen müssen.“ Heißt: Hendl werden wohl um einiges mehr kosten. Zuletzt bekam man auf der Wiesn ein halbes für etwa 13 Euro. Ob man die Grills wegen der Gasknappheit komplett ausschalten muss, könnten nur die Veranstalter entscheiden, sagt Roiderer. Er selbst sieht das Wiesn-Hendl aber nicht in Gefahr: „Das Hendl gehört zur Wiesn wie die Brezn zum Bier.“

Auch Steffi Spendler, Wirtin des Löwenbräu Festzelts, sagt: „Natürlich wird es Hendl geben! Die Frage ist nur: Wie teuer werden sie?“ Zusammen mit dem erhöhten Bierpreis könnte preislich einiges auf die Besucher zukommen: Denn auch die Getreidepreise steigen gerade kräftig. „Das macht uns nervös“, sagt Spendler. Sorgen macht sie sich auch um die Pommes auf der Wiesn – vor allem Speiseöl wird wegen des Ukraine-Krieges knapp.

„Wir fragen uns natürlich, ob bei den gestiegenen Preisen dann noch genügend Besucher kommen, damit das Ganze sich rentiert“, sagt die Wirtin. „Aber das ist ein unternehmerisches Risiko, das wir eingehen müssen.”

Ohnehin muss die Wirtin momentan viele Risiken in Kauf nehmen: „Wir sind schon voll in der Planung. Und das ist viel Arbeit – vor allem vor dem Hintergrund, dass wir noch gar nicht sicher wissen, ob die Wiesn überhaupt stattfindet.“ Gäste aus aller Welt würden ihr in der Frage aber „ein positives Gefühl“ geben: „Ich bekomme am Tag sicher 20 Anfragen allein aus den USA – das macht mich zuversichtlich.“ Seit März können Stammgäste bereits Tische im Löwenbräu-Festzelt reservieren. Weder Steffi Spendler noch die anderen Wirte konnten damit bis zur Bekanntgabe der Wiesn abwarten – andernfalls würde es mit der Planung zu knapp werden.

In der Bräurosl werden sogar schon die Speisekarten geschrieben, sagt Peter Reichert. Der Donisl-Wirt hätte eigentlich letztes Jahr erstmals die Bräurosl geschmissen – wenn die Pandemie nicht vorher dazwischen gekommen wäre. Dieses Mal soll es aber endlich soweit sein. „Das Zelt ist geplant, und die Architekten und Zeltbauer bereits am Werk“, sagt Reichert, der schon zuvor in der Schönheitskönigin auf der Oidn Wiesn Oktoberfest-Bier ausgeschenkt hat. Aufgeregt sei er nicht, sagt er – auch wenn die Bräurosl für ihre knusprigen Hendl bekannt ist. „Falls das Gas wirklich zu knapp wird, grillen wir sie halt auf dem Elektrogrill“, sagt Reichert. „Ich mache mir aber wenig Sorgen: Wir haben auch andere hervorragende Produkte aus der Region, zum Beispiel Saiblinge aus biologischer Zucht oder Kalbsbrust.“

Diese optimistische Grundhaltung teilen viele Wirte. „Sicher wird die Wiesn stattfinden“, sagt Wirtesprecher Peter Inselkammer. „Davon bin ich überzeugt.“ Und in einem Punkt sind sich alle Wirte einig: Maske, Abstand, beschränkte Besucherzahlen – all das kommt nicht infrage. „Das wäre auch keine originale Wiesn mehr“, sagt Inselkammer. Da ist ein kräftiger Aufschlag auf die Hendl-Preise wohl schon eher denkbar.

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