München – Auf der Suche nach nachhaltigen Stoffen und Alternativen zu Erdöl greifen Hersteller auch auf ungewöhnliche Ressourcen zurück. Eine Hose aus Autoreifen, Schuhe aus Apfel- oder Ananasleder? Ja, gibt es.
Der Outdoorkleidungshersteller Vaude ersetzt herkömmliches Polyamid durch einen alternativen Stoff aus Altreifen. In einem chemischen Verfahren wird aus Autoreifen Pyrolyseöl gewonnen, das dann mit Rohöl gemischt wird – ganz ersetzt werden kann das Rohöl nicht. Laut Hersteller können dennoch 60 Prozent CO2 eingespart werden. Philip Heldt von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen lobt den Ansatz: „Alternativen zu herkömmlichen Stoffen zu suchen, ist immer erst einmal gut. Natürlich kann man darüber streiten, wie viel Prozent Altreifen wirklich für die Produktion wiederverwendet werden und wie aufwendig die Produktion ist.“
Auch ein anderes Abfallprodukt findet bei „Green Fashion“, also umweltbewusster Mode, einen neuen Sinn: Apfelreste. Ein Start-Up aus Passau bietet Schuhe aus Apfelleder an. „Noani“ heißt die Schuhmarke und steht für „No Animal“. Für den lederähnlichen Stoff werden Reste aus der Apfelindustrie getrocknet, zu Pulver verarbeitet und mit Polyurethan gemischt. Die Masse, 50 Prozent Apfel und 50 Prozent Kunststoff, wird auf einen reißfesten Baumwollstoff gestrichen und erhitzt. So soll ein lederähnlicher Stoff entstehen.
Aus vielen Materialien wird heute schon Lederersatz hergestellt. Aus Papier, Kork – oder Ananas. „Pinatex“ nennt sich das Leder aus der Obstpflanze. Ausgangsmaterial sind die Blattfasern – ein Abfallprodukt der Ananasernte. Die langen Fasern werden extrahiert, gewaschen, getrocknet und zu einem Stoff verarbeitet. Lediglich die Versiegelung aus erdölbasiertem Harz schmälert den ökologischen Fußabdruck des Stoffes.
Erfunden hat „Pinatex“ die Spanierin Carmen Hijosa. „Die Leute wollen eine Alternative zu tierischen Produkten“, sagt sie. Hijosa ist selbst Vegetarierin und verkaufte vor der Gründung ihrer Londoner Firma „Ananas Anam“ im Jahr 2010 Leder-Accessoires. Als sie in einer Gerberei auf den Philippinen sah, wie viele giftige Chemikalien beim Gerbprozess freigesetzt werden, suchte sie nach Alternativen – und stieß ebenfalls auf den Philippinen auf die Lösung. Örtliche Weber stellen das traditionelle Hemd Barong Tagalog aus Fasern von Ananasblättern her. Hijosa entwickelte aus der Idee einen Lederersatz – und hat heute nach eigenen Angaben über 3000 Kunden aus 80 Ländern der Welt, darunter Luxusmarken wie Hugo Boss, aber auch Fast-Fashion-Hersteller wie H&M. Sogar die als kritisch bekannte Tierschutz-Organisation „Peta“ ist voll des Lobes für „Pinatex“.
Solche Innovationen brauche es in der Modebranche, sagt Heldt, „denn gerade Leder ist ein umweltschädliches Material“. Von der Produktion bis zur Verarbeitung sei Leder extrem umweltschädlich. „Bei der Produktion gibt es erhebliche Schnittverluste. Leder zu ersetzen ist daher ein wichtiger Schritt.“
Innovative Ideen gibt es viele. Die Firma „Feuerwear“ näht etwa Rucksäcke und Umhängetaschen aus ausgedienten Feuerwehrschläuchen. Das Schweizer Unternehmen „Freitag“ nutzt Lkw-Planen, um daraus Taschen zu nähen. Neue Stoffe und Recycling seien ein wichtiger Ansatz für die Modebranche, sagt Heldt, „aber das Wichtigste ist, dass wir weniger konsumieren, Kleidung länger tragen und sie auch mal reparieren, statt wegzuwerfen“. ALEXANDRA PÖHLER