Cambridge/Shanghai – Mit Schlaf kennt sich Astronaut Matthias Maurer aus. Bei seinen Forschungen auf der internationalen Raumstation ISS ist nämlich auch das ein Forschungsfeld. Auf der ISS plagen den 52-Jährigen keine Schlafprobleme. „Ich schlafe wie ein Baby, hervorragend“, sagte Maurer, der in den nächsten Tagen von seiner laufenden ISS-Mission auf die Erde zurückkehren wird. „Und wenn ich keinen Wecker hätte oder mich die Kollegen nicht aus dem Schlaf reißen würden morgens, dann würde ich hier wahrscheinlich unendlich viele Stunden schlafen.“
Ganz so gesund wäre das nicht. Sieben Stunden Nachtruhe seien die ideale Schlafdauer für Menschen mittleren und hohen Alters, berichten Forscher aus den USA und China aktuell im Fachblatt „Nature Aging“. Wesentlich mehr oder weniger Schlaf sei mit einer Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit sowie schlechteren geistigen Leistungen verbunden. Umso wichtiger sei guter Schlaf gerade für ältere Menschen.
Zu viel, zu wenig – beides ist schlecht
Konkret untersuchten Wissenschaftler der Universitäten Cambridge und Fuhan Daten von fast 500 000 Erwachsenen zwischen 38 und 73 Jahren, die in der „UK Biobank“ gesammelt waren, einer umfassenden britischen Datenbank. Die Probanden wurden zu ihrem Schlafverhalten, ihrer psychischen Gesundheit und ihrem Wohlbefinden befragt und nahmen an kognitiven Tests teil. Für fast 40 000 Teilnehmer lagen MRT-Bilder des Gehirns sowie genetische Daten vor.
Die Auswertung ergab, dass sowohl zu viel als auch zu wenig Schlaf in Zusammenhang mit verminderter kognitiver Leistung stand – die entsprechenden Probanden waren in den Tests langsamer und hatten eine geringere Aufmerksamkeitsspanne und schlechtere Problemlösungsfähigkeiten. Auch ihre psychische Gesundheit litt: Sie zeigten mehr Symptome von Angst und Depression und insgesamt ein geringeres allgemeines Wohlbefinden.
Schlafstörungen richtig bekämpfen
Die Forscher vermuten, dass eine Störung des Slow-Wave-Schlafes, ein Teil des Tiefschlafs, ein Grund für die kognitive Leistungsminderung sein könnte. Eine solche Störung wird mit einer Anhäufung von Beta-Amyloid-Molekülen in Verbindung gebracht. Diese Proteinablagerungen, die sich in den Gehirnen von Alzheimer-Patienten in großen Verklumpungen finden, stehen im Verdacht, zum Absterben von Nervenzellen beizutragen. Die Analyse der Hirn-Scans ergab ferner einen Zusammenhang zwischen unterschiedlicher Schlafdauer und Unterschieden in der Struktur von Hirnregionen, die an der kognitiven Verarbeitung und dem Gedächtnis beteiligt sind. Darunter war auch der Hippocampus, der als Gedächtniszentrum des Gehirns gilt.
Insgesamt, so die Forscher, scheinen sieben Stunden Schlaf ohne größere Schwankungen am idealsten für die kognitive Leistungsfähigkeit, das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit von Menschen mittleren und höheren Alters zu sein. Zwar beschreibe die Studie keine Kausalität, die Ergebnisse deuteten aber darauf hin, dass eine falsche Schlafdauer ein Risikofaktor für den kognitiven Abbau im Alter sein könnte.
Oft verhindern Schlafstörungen eine gute Nachtruhe. Ursachen gibt es viele. Prof. Ulrich Sommer, Gründer des Instituts für Schlafmedizin Bad Aibling und Schlafmediziner am Klinikum rechts der Isar, nennt zwei wichtige: „Viele können nicht einschlafen, weil ihr Rücken schmerzt. Andere haben mit psychologischen Problemen zu kämpfen – sie liegen wach und machen sich Stress, einschlafen zu müssen, weil sie sonst nicht fit durch den nächsten Tag kommen.“ Sommer empfiehlt, sich tagsüber ausreichend zu bewegen, im Bett nicht mehr zu essen oder fernzusehen und für die richtige Schlafhygiene zu sorgen. Das Zimmer sollte nicht zu warm sein, dafür dunkel und ruhig. Und die Matratze muss passen. „Manche fühlen sich auf einer härteren Unterlage wohler. Ältere Personen brauchen oft eine weichere Matratze, etwa weil ihr Rücken empfindlich ist.“
Guter Schlaf gewinnt im Alter an Bedeutung
Dass guter Schlaf im Alter wichtiger wird, bestätigt die Neuropsychologin und Mitautorin der Studie Barbara Sahakian: „Wege zu finden, um den Schlaf älterer Menschen zu verbessern, könnte entscheidend sein, um ihnen zu helfen, ihre geistige Gesundheit und ihr Wohlbefinden zu erhalten und einen kognitiven Abbau zu vermeiden, insbesondere bei Patienten mit psychiatrischen Störungen und Demenzerkrankungen.“ Tatsächlich berichten laut Deutscher Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) gerade ältere Menschen häufig über Durchschlafstörungen, eine abnehmende Schlafzeit, vermehrte Nickerchen am Tag und einen steigenden Gebrauch von Schlafmitteln. Die Gründe, warum Ältere schlechter schlafen, seien eine Kombination aus genetischer Veranlagung und der Struktur des Gehirns, erklärte Jianfeng Feng, ein weiterer Autor der neuen Studie.
Schlafschwierigkeiten werden aber zunehmend quer über die Altersgruppen und weltweit festgestellt. Allein in Deutschland klagte ein Drittel der Befragten in einer Studie der Techniker-Krankenkasse von 2017 über Schlafprobleme, jeder zweite gab an, auf höchstens sechs Stunden Schlaf zu kommen.
Wer glaubt, mit einem Glas Bier oder Wein besser schlafen zu können, der irrt, sagt Prof. Ulrich Sommer: „Alkohol lässt uns sicher erst mal besser einschlafen, weil er narkotisierend wirkt.“ Für die Schlafqualität sei Alkohol aber kontraproduktiv, das Durchschlafen werde schwieriger. Ein weiterer unangenehmer Nebeneffekt: Alkohol erhöht die Wahrscheinlichkeit zu schnarchen.