Rückschläge bei der Entwicklung neuer Medikamente

von Redaktion

Wirksamkeit (noch) nicht bewiesen: Arzneimittelbehörde verweigert Antikörper-Präparat die Zulassung

München – Im Kampf gegen Alzheimer kommt die Entwicklung neuer Medikamente nur zäh voran. Zwar forschen Wissenschaftler seit Jahren an monoklonaren Antikörpern. Sie sollen vor allem im frühen Stadium der Erkrankung helfen und möglicherweise ihren Verlauf stoppen können. Besonders im Fokus steht das Mittel Aducanumab, in den USA ist es bereits zugelassen. Doch zuletzt erhielt die Hoffnung auf eine baldige Zulassung durch die Europäische Arzneimittelbehörde EMA und damit auch in Deutschland einen herben Dämpfer.

Die EMA hält die Wirksamkeit von Aducanumab für (noch) nicht erwiesen, und auch bei der US-Zulassungsbehörde FDA sind trotz des zunächst positiven Bescheids letzte Zweifel offenbar noch nicht ausgeräumt. Sie fordert von der Herstellerfirma Biogen jetzt eine weitere aufwendige Studie, die den Nutzen von Aducanumab belegen soll. Der Hintergrund: Vorherige Studien waren zunächst wegen Wirkungslosigkeit abgebrochen worden, in späteren Studien hatten sich dann aber doch Hinweise auf eine Wirksamkeit ergeben.

Aducanumab gilt als Vorreiter unter den Antikörpern gegen Alzheimer. Sie sollen – vereinfacht erklärt – Eiweißablagerungen aus dem Gehirn entfernen. Diese Amyloid-Plaques stehen im Verdacht, eine entscheidende Rolle beim Untergangsprozess der Nervenzellen zu spielen. Sie ist charakteristisch für Alzheimer – mit einem Anteil von etwa 70 Prozent die häufigste Form der Demenzerkrankungen.

Tatsächlich kristallisierte sich bei vielen Nachuntersuchungen mit einem bildgebenden Verfahren – in der Fachsprache Amyloid-PET-CT genannt – eine Verringerung der Plaques heraus. Doch nach Einschätzung der EMA-Zulassungsprüfer ist nicht erwiesen, dass sich dadurch auch wirklich die geistigen Fähigkeiten der Patienten verbesserten. Oder anders ausgedrückt: Der Effekt zeigt sich nur auf Diagnosebildern, nicht aber bei der klinischen Untersuchung der Patienten.

Nun könnte man meinen: Ein Versuch kann ja nichts schaden. Aber so einfach ist die Analyse nicht, wie Privatdozentin Dr. Katharina Bürger berichtet: „Aducanumab kann ernstzunehmende Nebenwirkungen verursachen, darunter Blutungen und Ödeme, sprich Wassereinlagerungen, im Gehirn“, erläutert die Alzheimer-Spezialistin und Leiterin der Gedächtnisambulanz des Instituts für Schlaganfall- und Demenzforschung am LMU Klinikum. „Deshalb darf es beispielsweise Patienten, die blutverdünnende Medikamente einnehmen oder bereits einen Schlaganfall erlitten haben, nicht verabreicht werden.“

Dass die EMA eine Zulassung von Aducanumab verweigert hat, hält Bürger für nachvollziehbar. „Eine Zulassung hätte es höchstens für Menschen mit sehr leichten Symptomen und zur Verabreichung an hochspezialisierten Zentren geben können. Insgesamt fiel offenbar die Nutzen-Risiko-Abwägung durch die EMA derzeit nicht positiv aus. Es wäre nicht gut gewesen, dadurch bei vielen Familien falsche Hoffnungen zu wecken, denn in mittleren und fortgeschrittenen Erkrankungsstadien hilft Aducanumab leider nicht mehr.“

Möglicherweise könnten allerdings andere Antikörper-Hersteller in die Bresche springen. „Für einige neue Substanzen erwarten wir im nächsten Jahr Studienergebnisse“, berichtet Bürger. Die Münchner Spitzenmedizinerin weiß um die große Erwartungshaltung der Patienten und vor allem ihrer Familien – zumal derzeit gerade mal vier Medikamente für die Alzheimer-Therapie zugelassen sind: Donepezil, Galantamin, Rivastigmin und Memantine. Aber diese Präparate können die Erkrankung nicht aufhalten, sondern das Fortschreiten der Symptome für eine gewisse Zeit verlangsamen.

Auch weil Alzheimer nach wie vor unheilbar ist, komme der Prävention eine große Bedeutung zu, betont Bürger. „Wir wissen heute, dass etwa sich das persönliche Demenzrisiko über die Lebensspanne um 40 Prozent verringern lässt – etwa durch eine gute Blutdruckeinstellung, gesunde Ernährung, geistige und körperliche Aktivität sowie durch das Pflegen sozialer Kontakte“, erläutert die Expertin, die sich auch als Vorsitzende der Münchner Alzheimer Gesellschaft engagiert: „Ganz praktisch bieten wir für Patienten mit leichten kognitiven Störungen und positivem Alzheimer-Befund Präventionsgruppen an.“

ANDREAS BEEZ

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