Die Ritter sind zurück!

von Redaktion

VON ULRIKE OSMAN

Kaltenberg – Optisch sind noch alle im 21. Jahrhundert. Menschen in T-Shirts und kurzen Hosen steigen im Gleichschritt die Treppen von der Tribüne in die Arena von Schloss Kaltenberg hinab, formieren sich zu mehreren Reihen und sinken auf das rechte Knie. In dieser Position müssen die Darsteller eine Weile verharren, während Janne Geest mit dem Stunt-Choreografen Frédéric Laforet Details bespricht. Die Proben für das diesjährige Ritterturnier sind in vollem Gange.

Ab dem 15. Juli herrscht auf Schloss Kaltenberg im Landkreis Landsberg für drei Wochenenden wieder Ausnahmezustand. Nach zwei Jahren Corona-Pause kehren die Ritter, Gaukler, Musikanten, Narren und Marketender wieder zurück, um die Menschen mitzunehmen auf eine abenteuerliche Reise ins Mittelalter. Höhepunkt der Festwochenenden ist das Ritterturnier, eine spektakuläre Stunt-Show, die jedes Mal Tausende Zuschauer anlockt.

Janne Geest ist dabei für die knapp 100 Laiendarsteller in der Arenashow zuständig, Frédéric Laforet für die Stuntreiter. Der Wichtigste unter ihnen ist er selbst. Seit vielen Jahren verkörpert der Franzose den Schwarzen Ritter – die zentrale Figur eines jeden Kaltenberger Ritterturniers, der Blickfang auf den Plakaten und der heimliche Liebling des Publikums, obwohl er der Bösewicht ist.

Außerhalb der schwarzen Rüstung hat Laforet nichts Bedrohliches an sich – und schon gar keine Starallüren. Er freue sich, wieder hier zu sein, erzählt er. „Kaltenberg ist etwas Besonderes.“ Die Sorge, dass das Einstudieren der Show nach der langen Corona-Pause schwieriger sein könnte, hat sich als unbegründet erwiesen. „Die Leute kennen den Job, die meisten sind schon lange dabei.“

Zwölf Reiter und 15 Pferde aus der Stuntgruppe „Cavalcade“ des Ritterspiel-Veteranen Mario Luraschi (74) wirken heuer mit. In der Show mit dem Titel „Der Feldherr des Königs“ geht es um den ewigen Kampf zwischen Gut und Böse. Eine große Schlachtenszene gibt es gleich am Anfang, verrät Laforet. „Dabei verwenden wir Materialien, die wir noch nie zuvor benutzt haben.“ Was das sein wird, bleibt bis zur Premiere ein Geheimnis.

Langweilig werde ihm in seiner Rolle nie, betont der Stuntreiter. Allerdings falle ihm der „Extremsport in der Arena“ mit seinen mittlerweile 56 Jahren nicht mehr so leicht wie früher, „vor allem, wenn es sehr heiß ist“. Nicht nur deshalb hat Laforet nichts dagegen, wenn es bei den Shows regnet – „das macht die Handlung noch dramatischer“.

Kleine persönliche Rituale helfen ihm, sich auf seine Auftritte einzustimmen. Bevor er in die Arena reitet und bei halsbrecherischen Stunts sein Pferd auf über 50 Stundenkilometer beschleunigt, schickt er ein Gebet zu seinem Schutzengel, erzählt Laforet. Und er fokussiere sich mithilfe einer kurzen Meditation. „In den letzten Minuten, bevor es losgeht, bin ich nicht mehr ansprechbar.“

Dass nicht nur die Stunt-Reiter, sondern auch die Laiengruppen professionell choreografiert werden, hat Ritterspiel-Chef Heinrich Prinz von Bayern vor einigen Jahren eingeführt. Die Frau, die diese Aufgabe übernimmt, ist es gewohnt, große Chöre auf Opern- und Musicalbühnen publikumswirksam aufzustellen. „Ich kann ganz gut mit solchen Massen“, erzählt Janne Geest. Und da die Amateure bei den Ritterspielen mit viel Herzblut dabei seien, mache ihr die Arbeit Spaß. „Ich bin wirklich gerne in Kaltenberg.“ Der größte Unterschied zu einer Bühnenshow: In der Arena muss alles von allen Seiten gut aussehen, nicht nur von vorne.

Formationen, Aufstellungen, Laufwege werden in der Vorbereitung aufgezeichnet und ausprobiert. „Ich renne mit dem Metronom durch die Arena und schaue, welche Strecke in welcher Zeit zu schaffen ist“, erklärt Geest. Dabei muss sie berücksichtigen, dass einige der Darsteller 30 Kilo schwere Rüstungen tragen und entsprechend langsamer vorankommen. „Die kann ich nicht joggen lassen“, sagt die ehemalige Musical-Darstellerin und lacht.

Die Laiendarsteller genießen es, nach zwei Jahren Pandemiepause wieder im Einsatz zu sein. Eine der Hauptrollen übernimmt in diesem Jahr die Fürstenfeldbruckerin Ivonne Werner. Sie spielt die Königstochter Katharina, nachdem sie in früheren Jahren eine Bauersfrau in einem überfallenen Dorf, Teil des kämpfenden Fußvolks und Fahnenschwenkerin war. Die 35-Jährige empfindet das Eintauchen ins Mittelalter als völliges Abschalten. „Es ist ein Wahnsinnsausgleich zum Alltag. Die Uhren laufen etwas langsamer.“

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