4 FRAGEN AN
Landwirtschaft war noch nie reine Männersache, sagt Christine Singer. Sie lebt im Landkreis Garmisch-Partenkirchen und ist Bezirksbäuerin des Bauernverbands für Oberbayern. Im Interview erzählt sie, wie sich die Rolle der Bäuerin verändert hat.
Bauernhöfe ohne Frauen – kann das überhaupt funktionieren?
(lacht) Das kann sicher auch funktionieren, aber in Bayern steht der bäuerliche Familienbetrieb im Mittelpunkt – da braucht’s sowohl Frauen als auch Männer. Es gibt reine Männerbetriebe, das klappt auch irgendwie, aber eben ganz anders.
Inwiefern anders? Übernehmen Frauen und Männer unterschiedliche Aufgaben?
Das war lange so, aber wir bewegen uns immer weiter weg von der klassischen Rollenverteilung: Männer sind nicht mehr nur für die Hofarbeit zuständig, und Frauen nicht mehr automatisch für Kinder, Stall und Haushalt. Das war oft eine doppelte Belastung für Mütter: Es ist ein enormer Druck, jederzeit für Familie und Tierhaltung bereitzustehen. Frauen, die sich heute für einen Weg in der Landwirtschaft entscheiden, haben eine super Ausbildung, sind selbstbewusst und legen viel Wert auf Freizeit. Sie sind genauso fit im Umgang mit moderner Technik und Digitalisierung wie Männer.
Trotzdem werden noch immer wenige Höfe von Frauen geführt…
Das liegt an unserem veralteten Modell: Traditionell übernimmt der älteste Sohn den Hof. Wenn man nur Töchter bekam, bedeutete das schon fast eine Katastrophe. Davon bewegen wir uns – Gott sei Dank – schon lange weg. Das Kind mit der größten Leidenschaft für die Landwirtschaft übernimmt den Betrieb. Bei uns macht das die zweitgeborene Tochter.
Haben es Frauen, die nicht im Betrieb aufgewachsen sind, schwerer?
Ich denke, es ist immer schwierig, in einen Betrieb einzuheiraten. Ein wichtiger Punkt ist die soziale Absicherung: Viele Frauen arbeiten jahrelang auf dem Hof, haben aber keinen gescheiten Ehe- und Erbvertrag – wenn es zu einer Trennung kommt oder der Partner verstirbt, kann das katastrophal enden. Es gibt auch Fälle, in denen sich Frauen zwar einbringen, ihren alten Beruf aber behalten möchten. Hier finden immer mehr Frauen kreative Lösungen: Wieso sollte eine Erzieherin nicht ihre eigene Kita auf dem Hof eröffnen? Früher war es schwierig, die anderen Familienmitglieder von so etwas zu überzeugen – heute sind Frauen mutiger, und das wird auch anerkannt. Interview: Kathrin Braun