Kuhglocken und Kirchenläuten: Worüber Bayern immer wieder streitet

von Redaktion

München – Wo endet die Tradition und beginnt die Belästigung anderer? Darüber müssen häufig die Gerichte entscheiden. Und die Grenzen sind fließend, denn selten ist ein Fall wie der andere.

Jahrelang dauerte etwa der Streit um Kuhglocken in Holzkirchen im Kreis Miesbach. Der Kläger hatte sich im ländlichen Ortsteil Erlkam ein Haus gekauft, ein Jahr später pachtete Bäuerin Regina Killer von der Gemeinde die angrenzende Wiese. Der Kläger wertete das Gebimmle der Kuhglocken an den oft ungestümen Jungrindern als Belästigung und begründete seine Klage unter anderem mit Schlafstörungen, Depressionen und dem Wertverlust des Hauses durch die Viehhaltung. Der Streit ging durch mehrere Instanzen, bei denen die Bäuerin die Oberhand behielt. Die Richter sahen die Vorwürfe als zu pauschal begründet an. Dann klagte die Frau des Hausbesitzers und der Prozess-Marathon begann von vorne. Sogar ein Ortstermin fand statt, an dem aber träge Mutterkühe statt tobender Jungrinder auf der Wiese standen – was der Richter kritisierte. Am Ende einigten sich die Parteien auf einen Kompromiss. Nur noch drei der Kühe dürfen künftig Glocken am Hals tragen.

Gott zu nahe

Auch andere Glocken sorgen immer wieder für Ärger – jene in Bayerns Kirchtürmen. Für Schlagzeilen sorgte vor Jahren ein Fall aus dem Kreis Starnberg. Ein Anwohner ging gerichtlich gegen die katholische St.-Nikolaus-Kirche im Gilchinger Ortsteil Argelsried vor. In dem Fall ging es weniger um Lärm als um eine von dem Mann empfundene religiöse Belästigung. Der Kläger fühlte sich durch das Läuten der Glocken permanent an Religion und Gott erinnert. Dabei unterschied er nicht zwischen dem liturgischen Läuten zu religiösen Anlässen wie Gottesdiensten und dem profanen, weltlichen zum Anzeigen der Uhrzeit. „Es geht mir um die Dauerinformation: Hier ist eine religiöse Glocke“, führte er 2014 vor dem Verwaltungsgericht in München an. Als alle Kompromissversuche scheiterten, entschied das Gericht zugunsten der Kirche. Allerdings sicherte die Kirche zu, das Uhrzeit-Läuten zwischen 22 und 6 Uhr einzustellen.

Erst im Juni hatte das Verwaltungsgericht Regensburg die Klage eines Mannes aus Siegenburg im Kreis Kelheim abgewiesen, der gegen das Läuten der katholischen Pfarrkirche in dem 4100-Einwohner-Ort zu Felde zog. Das Gericht sah in den Glocken eine „zumutbare sozialadäquate Einwirkung“, zumal die Glocken im Schnitt nur 14 Minuten am Tag und nicht zwischen 22 und 6 Uhr läuten würden. Das Gericht stellte das Recht auf liturgisches Läuten über das Ruhebedürfnis des Klägers. Liturgisches Läuten unterliegt allgemein einem besonderen Schutz – anders als der weltliche Uhrschlag, der zu Zeiten, als es noch keine Taschenuhren, geschweige denn Handys gab, noch eine Funktion für die Allgemeinheit hatte.

Für Ärger sorgt mitunter auch das laute Krähen früh aufstehender Hähne. Allerdings haben Dorfbewohner, die sich daran stören, meist schlechte Karten, weil es sich gewöhnlich Regel um eine ortsübliche Nutzung handelt. Einen schalldichten Stall zu errichten, sei wirtschaftlich nicht zumutbar, entschied etwa das Landgericht Koblenz vor drei Jahren. Solche Auflagen hätten das Ende privater Kleintierhaltung in ländlichen Gebieten zur Folge. Die Beklagte hielt 25 Hühner und einen Hahn in einem kleinen Dorf in Rheinland-Pfalz.

Krähverbot in der Stadt

In einer Stadtwohnung müssen die Nachbarn das Krähen eher nicht hinnehmen. Im Jahr 2009 gab es einen kuriosen Fall in München. Eine Frau hielt den Hahn „Maxl“ in ihrer Wohnung im Stadtviertel Englschalking. Die Nachbarin klagte, weil der Hahn bis zu sieben Mal am Tag krähe. Was auf dem Land dazugehört, sah das Amtsgericht München für die Stadt doch eher als unpassend an. Es verdonnerte die Halterin per Urteil dazu, zum Nachbarn dringende Krähgeräusche mit „geeigneten Maßnahmen“ zu verhindern. Dazu kam es nicht mehr, denn unabhängig vom Gerichtsurteil verbot die Eigentümerversammlung die Hahn- und Hühnerhaltung im Haus.

Wie die Richter urteilen, ist vorab oft nicht vorherzusagen. So hielt ein Ehepaar in Wolnzach im Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm neben Hühnern auch einen Gockel, dessen ständiges Krähen die Nachbarn störte. Obwohl der Gockel in einer eher bäuerlichen Umgebung hauste, entschied das Amtsgericht zugunsten der genervten Nachbarn.

WOLFGANG HAUSKRECHT

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