„Junge Menschen sind in den Kirchen kaum vertreten“

von Redaktion

München – In der katholischen Kirche herrscht Priestermangel. Immer weniger junge Männer wollen Priester werden. Wir sprachen mit Wolfgang Lehner, Regens des Priesterseminars in München.

Wie viele Priesteramtskandidaten gibt es derzeit?

Wir haben für die Erzdiözese etwa 20 Seminaristen, verteilt auf acht Jahrgänge. Aber nicht nach dem Gießkannenprinzip in jedem Jahrgang zwei – mal ist es einer, mal keiner, mal vier.

In diesem Jahr gab es keine Priesterweihe. Hat es das schon mal gegeben?

In der neueren Geschichte weiß ich nicht, dass es das schon einmal gab. Ich konnte mich seit Jahren darauf vorbereiten: Die, die heuer nicht geweiht wurden, sind vor sieben Jahren auch nicht eingetreten. Überraschend ist es aber für die Öffentlichkeit. 2023 werden drei Seminaristen zu Priestern geweiht.

Sehen Sie angesichts der Probleme in der Kirche überhaupt eine Chance für mehr Priesternachwuchs?

Realistischerweise werden wir auf einige Zeit auf sehr kleinem Niveau weitermachen. Wer das Glaubensleben erlebt in den Familien, in den Gemeinden – junge Menschen sind in den Kirchen kaum vertreten –, dann ist es wenig realistisch zu glauben, dass wir bald einen großen Hype haben werden.

Die Krise der Kirche ist ja auch eine schwere Bürde für die jungen Priester. Wie stark belastet es sie in der Ausbildung?

Die Bürde kommt aus einer Geschichtserfahrung, dass früher alles besser gewesen sein soll: ausgebaute Strukturen, üppige Finanzmittel, viel Personal. Dieser Vergleich ist das eigentlich Schwierige, jetzt mit einer Veränderung zurechtkommen zu müssen. Die jungen Leute aber kennen die Kirche nur noch im Krisenmodus, die Kirche ist ja irgendwo immer im Umbruch. Das ist für sie etwas entlastender. Eine große Bürde ist natürlich auch die Diskussion um den sexuellen Missbrauch in der Kirche.

Gäbe es ohne den Zölibat mehr Seminaristen?

Sehr viel mehr Kandidaten glaube ich nicht. Es wären sicher einzelne mehr. Er beschäftigt die jungen Leute natürlich, weil er eine Frage des Lebensentwurfs ist und das in einer Generation, die mit endgültigen Entscheidungen ihre Schwierigkeiten hat. Mit 30 Jahren zu sagen: Ich verspreche jetzt Ehelosigkeit, ist doppelt anspruchsvoll. Andererseits: Kaum eine Lebensentscheidung wird so lange geprüft wie die der Ehelosigkeit. Wir haben eine Ausbildung von sieben, acht Jahren. Ich kenne kein Paar, das acht Jahre überlegt, ob sie zusammengehen sollen oder nicht. Es gibt so viele Reflexionsebenen, in denen die Seminaristen alles noch einmal überprüfen können. Ich glaube, mit einer moralischen Gewissheit sagen zu können, dass wir die Leute darauf gut vorbereiten.

Wie viele Kandidaten scheiden aus?

Etwa ein Drittel. Ich habe aber keinen im Kopf, der nicht Priester werden wollte alleine wegen der Lebensform. Es ist eine Summe von Gründen: Priesterbild, Gesamtzustand der Kirche oder jemand merkt, dass es doch nicht seins ist. Das ist legitim. Studienabbrecher gibt es auch in anderen Bereichen. Interview: Claudia Möllers

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