„Innopolis“ – ein Ort nur für kluge Köpfe

von Redaktion

Seit zehn Jahren baut Russland an der Stadt, die eines Tages das US-amerikanische Silicon Valley als Hightech-Hochburg ablösen soll

München – Die Abwanderung zehntausender IT-Spezialisten dürfte nicht spurlos an Russland vorübergehen, denn der Kreml hatte große Pläne mit seinen klugen Köpfen: Vor zehn Jahren gründete die russische Regierung eine ganze Stadt speziell für Programmierer und Softwareentwickler. Die neue Hochschulstadt „Innopolis“ sollte das russische Silicon Valley werden und Russland zum Spitzenreiter in Sachen Digitalisierung machen.

Etwa 800 Kilometer östlich von Moskau, in der Nähe der Metropole Kasan, sollen die schlauesten Fachkräfte des Landes leben und arbeiten. Momentan hat Innopolis etwas mehr als 4000 Einwohner – bis 2035 sollen es schon 150 000 sein. Sie sollen an Robotertechnologie, App-Entwicklung und Raumfahrt tüfteln. Innopolis ist die erste Stadt, die seit dem Zerfall der Sowjetunion gegründet wurde – und damit auch die jüngste Stadt Russlands.

Das Herzstück der Stadt ist die Universität: Zu den Master-Studiengängen gehören etwa Big Data, künstliche Intelligenz und Robotik, Softwaretechnik sowie Cyber Security. Die Studentenwohnheime sind über Indoor-Gänge erreichbar – Studenten müssen also nicht mal das Gebäude verlassen, um von ihrer Wohnung zur Vorlesung zu kommen. Rund 800 junge Menschen (Stand 2019) lernen an der Universität, die von mehr als 100 Unternehmen finanziert wird.

Die Studenten verpflichten sich, auch nach ihrem Studium eine Weile in Innopolis zu bleiben. In einem Bürokomplex gleich neben der Universität sitzen einige der Firmen, die den Studenten eine enge Zusammenarbeit nach ihrem Studienabschluss versprechen. In dem siebenstöckigen Glaszylinder werden zum Beispiel smarte Kameras oder intelligente Fluggeräte entwickelt. Insgesamt haben sich mehr als 90 IT-Firmen in dem Technologie-Zentrum angesiedelt.

Die Wohnungen in der Stadt sind ausschließlich für Mitarbeiter reserviert. Auch hier soll alles so modern wie möglich wirken. Zu manchen Wohnungen gibt es nicht mal einen Schlüssel – sie lassen sich per Fingerabdruck öffnen. Wenn der Bürgermeister etwas mitzuteilen hat, verschickt er eine Chat-Nachricht an seine Bürger. Und auf den Straßen ist nur wenig los: Hin und wieder fahren Elektrobusse durch die Stadt, Autos sieht man in Innopolis kaum.

Die IT-Hochburg wurde noch vom damaligen Präsidenten Dmitri Medwedjew gegründet. 2012, beim Spatenstich, vergrub der technikaffine Politiker eine Kapsel mit einer Botschaft an die Nachwelt unter einem Stein. Der Bau ging schnell voran: Bis 2015 entstanden die Universität, eine Schule, ein IT-Gymnasium, ein Kindergarten, ein Fitnesszentrum und eine Poliklinik. Erst vor wenigen Wochen wurde die Stadt um 1,3 Hektar erweitert. Dort soll nun ein Rechenzentrum mit drei ansässigen Unternehmen errichtet werden.

Auch wenn das Städtchen in Anlehnung an die kalifornische Hightech-Hochburg das russische Silicon Valley genannt wird: Bei der Stadtplanung hat man sich mehr an Asien als am Westen orientiert. Architekt von Innopolis ist Liu Thai Ker, der in den 80er-Jahren die Umgestaltung Singapurs verantwortet hat. Der Plan war, jedes Detail in der neuen IT-Stadt innovativ zu gestalten.

Auf den zweiten Blick scheint die Planung aber nicht so reibungslos zu verlaufen: Die Straßen bestehen aus einzelnen Betonplatten, die der Frost an einigen Stellen schon aufgebrochen hat. Sinnlos eingebaute Unterführungen sorgen bei Besuchern für Verwirrung, ebenso von Gittern eingerahmte Gehwege. Radwege gibt es nicht, dafür viele leere Parkplätze. kab

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