Regenwald wird für Ölbohrungen versteigert

von Redaktion

VON KLAUS RIMPEL

Kinshasa/München – Der Dschungel in der Demokratischen Republik Kongo (DRK) ist der einzige große Regenwald der Erde, der immer noch mehr Kohlendioxid aufnimmt, als er ausstößt – anders etwa als der Amazonas-Regenwald, der wegen massiver Abholzung und Brandrodungen seine Fähigkeit als CO2-Speicher schon verloren hat. Auch das größte tropische Torfmoor der Welt liegt in der DRK – es gilt als zentral im Kampf gegen den Klimawandel.

Susan Page, Geografie-Professorin an der britischen Uni Leicester, warnte, sollte die riesige Menge an Kohlenstoff, die unter diesem Torfmoor im Westen der DRK gespeichert ist, rasant freigesetzt werden, würde das „tatsächlich eine Art Kipppunkt für das globale Klima darstellen“, also den Punkt, an dem das ganze System in den Abgrund stürzt.

Doch genau das könnte jetzt passieren: Die Demokratische Republik Kongo hat eine Auktion begonnen, mit der die Öl- und Gaskonzessionen für das für das Weltklima so entscheidende Gebiet versteigert werden. „Das Torfmoor müsste für die Öl-Bohrungen entwässert werden, dabei würden Unmengen an CO2 freigesetzt – es wäre verheerend“, warnt der Afrika-Experte der Naturschutzorganisation WWF, Philipp Göltenboth.

Die Versteigerung findet statt, obwohl der Präsident des Kongo, Félix Tshisekedi, auf dem Weltklima-Gipfel in Glasgow im November 2021 ein Zehn-Jahres-Abkommen zum Schutz des Regenwaldes im Kongobecken unterzeichnet hatte. Für den Erhalt des auch für den Artenschutz zentralen Gebiets bekam der Kongo internationale Finanz-Zusagen über 500 Millionen Dollar für die nächsten fünf Jahre, 100 Millionen Dollar sollen bereits geflossen sein.

Doch an die Versprechen von Glasgow fühlt sich die bitterarme, von Bürgerkriegen erschütterte DRK jetzt nicht mehr gebunden: Energieminister Didier Budimbu begründet die Öl- und Gas-Förderpläne auch mit den Forderungen westlicher Regierungen, die wegen des Ukraine-Krieges nach neuen Energielieferanten suchten, die eine Alternative zu Russland bieten. Tosi Mpanu-Mpanu, ein Berater des Energieministers, wird vom „Spiegel“ mit den Worten zitiert, die Bedürfnisse des Landes nach Einnahmen zur Armutsbekämpfung hätten Vorrang vor den Bedürfnissen der Ökologie. „Unsere Priorität ist es nicht, den Planeten zu retten“, so Mpanu.

Bei der Auktion geht es um geschätzte 16 Milliarden Barrel an Öl-Reserven im Wert von mehr als 650 Milliarden Dollar. „15 dieser Ölbohr-Gebiete überlappen sich mit einzigartigen Naturschutzgebieten“, so der WWF-Experte Göltenboth. Es ist unklar, welche Öl-Konzerne an der Versteigerung beteiligt sind. „Total und Shell erklärten, sie steigern nicht mit“, sagte WWF-Experte Göltenboth. Vor einigen Jahren hatte Shell schon einmal versucht, Ölbohr-Konzessionen im Kongo zu bekommen, war dann aber zurückgeschreckt, als eine internationale Kampagne den Öl-Konzern an den Pranger stellte. Jetzt bieten dem Vernehmen nach chinesische und nigerianische Energiekonzerne mit, die sich von derartigen Image-Kampagnen wohl noch weniger beeinflussen lassen.

„Die Erdölförderung ist überall auf der Welt aus klimatischer Sicht schmutzig, aber in Afrika ist sie generell 30 Prozent umweltschädlicher“, so Tal Harris, Afrika-Experte von Greenpeace. WWF-Experte Göltenboth glaubt, dass die bitterarme Bevölkerung des Kongo nicht von Öl-Einnahmen profitieren wird – zumal die DRK als eines der korruptesten Länder der Welt gilt. „Im Gegenteil: Das größte Ölfeld wird unter dem Edward-See vermutet, wo rund 50 000 Fischer leben. Die seismischen Tests oder die Probebohrungen alleine könnten die Existenzgrundlage dieser Fischer zerstören, besonders wenn Öl in den fragilen See gerät“, so Göltenboth. „Schon bei den Öl-Förderungen im Niger-Delta zeigte sich, dass die Bevölkerung nicht viel mehr vom Öl-Reichtum abbekommt als eine völlig zerstörte Landschaft.“

Das Öl-Gebiet umfasst auch die Virunga-Berge im Dreiländereck Ruanda, DRK und Uganda. In dem durch die Forscherin Dian Fossey („Gorillas im Nebel“) weltberühmten, 7835 Quadratkilometer großen Schutzgebiet leben rund 600 der letzten 1000 Berggorillas.

Auf der kongolesischen Seite der Virungas tobt seit Jahrzehnten ein blutiger Bürgerkrieg, der sich noch weiter verschärfen dürfte, wenn die über 100 dort aktiven Rebellengruppen auch noch um die Öl-Einnahmen kämpfen, fürchtet der WWF-Experte. „Denn die meisten dieser Gruppen kämpfen aus rein ökonomischen Gründen, sie leben von Plünderungen wie die Landsknechte im 30-jährigen Krieg.“

Es gehe darum, die Menschen in der Region davon zu überzeugen, dass sie wirtschaftlich mehr davon profitieren, wenn sie auf langfristige Einnahmen durch den Naturschutz setzen – etwa auf den lukrativen Tourismus wegen der Berggorillas – als auf den Kurzfrist-Profit durch schmutziges Öl. „Es ist mitnichten zu spät, diese Ölbohr-Pläne zu stoppen“, ist WWF-Experte Göltenboth überzeugt.

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