München – Das Knie ist kompliziert. Es muss hohe Belastungen aushalten, gilt als verletzungsanfällig. Wer sich das größte Gelenk des Körpers lädiert, braucht einen persönlichen Krisenplan aus individueller Behandlungsstrategie, Disziplin und Geduld. „Jeder Fall ist anders“, weiß Dr. Manuel Köhne von der Orthopädischen Chirurgie München (OCM). Aber wem nützt welche Heilmethode? Wann muss man unters Messer, und worauf kommt es bei der Behandlung an? Köhne, Kniespezialist und leitender Mannschaftsarzt der deutschen alpinen Ski-Asse, erklärt sieben häufige Therapien.
Die Therapie: Der Arzt nimmt etwa 15 Milliliter Blut ab. In einer Spezialzentrifuge werden die heilenden Bestandteile herausgefiltert und zurückgespritzt – direkt ins Kniegelenk. Auf Medizinerdeutsch ist von plättchenreichem Plasma (PRP) oder von autologem konditioniertem Plasma (ACP) die Rede.
Die Einsatzgebiete: Die beste Wirkung lässt sich bei leichter bis mittelgradiger Kniearthrose erzielen sowie bei frischen und schon länger bestehenden Sehnen- und Muskelverletzungen.
Die Effekte: Im Blut stecken unter anderem Thrombozyten (Blutplättchen) und sogenannte Wachstumsfaktoren. Sie fördern die Selbstheilung des Gewebes, reduzieren die Entzündungsreaktionen im Knie und verbessern die rheologischen Eigenschaften des Knorpels. Das bedeutet: Der Knorpel wird praktisch geschmiert. Auch im Leistungssport werden Eigenblutbehandlungen immer öfter eingesetzt. „Ich bin davon vollkommen überzeugt, würde die Behandlung jederzeit wieder machen“, sagt beispielsweise Ski-Ass und Kitzbühel-Triumphator Thomas Dreßen. Der beste deutsche Skifahrer trainiert nach einer OP intensiv für die neue Saison, das Knie hält hervorragend.
Der Aufwand: Die Behandlung startet in der Regel mit drei Spritzen im Abstand von etwa einer Woche. Die Therapie lässt sich beliebig oft wiederholen. Immer häufiger wird Eigenblut kombiniert mit Hyaluronsäure gespritzt. Diese soll wie ein Schmiermittel im Gelenk wirken.
Die Kosten: Werden von den meisten Krankenkassen nicht übernommen. Eine Spritze kostet circa 100 bis 150 Euro.
Die Therapie: Es gibt etablierte Knorpelersatzverfahren wie Mikrofrakturierung (dabei bildet sich durch Anbohrung des Knochens Ersatzgewebe) oder Knorpelzellzüchtungen im Labor. Zudem liegt ein modernes Verfahren namens „minced cartilage“ im Trend. Die verletzten Anteile werden in einer OP entnommen und in einem medizinischen Spezialhäcksler zerkleinert. Dann mengt der Arzt Eigenblut-Extrakt bei und füllt die Masse in das Knorpelloch. Die Masse hat in etwa die Konsistenz von Eiscreme und wird mithilfe eines natürlichen Klebstoffs aus Blutbestandteilen befestigt. Durch die Prozedur werden die verletzten Knorpelzellen wieder aktiviert.
Die Einsatzgebiete: Diese Knorpel-Chips eignen sich für einzelne kleinere, aber maximal mittelgroße Knorpelschäden bis auf den Knochen. Größere Arthroseschäden im gesamten Knie kann man damit nicht reparieren. Zudem sollte der Patient eine relativ gerade Beinachse haben.
Die Effekte: Es entsteht eine neue, gut belastbare Knorpelschicht im zuvor verletzten Bereich. Ein Paradebeispiel liefert Ski-Profi Sebastian Holzmann. Bei ihm ist der Knorpelschaden nach der Therapie kaum noch zu erkennen (siehe Fotos).
Der Aufwand: Die arthroskopische Operation dauert etwa eine Stunde, in der Regel unter Vollnarkose. Arthroskopisch bedeutet, dass der Operateur über zwei kleine Schnitte eine Mini-Kamera und filigrane Instrumente ins Kniegelenk schiebt. Der Patient muss nach dem Eingriff zwei bis drei Tage lang in der Klinik bleiben und etwa sechs Wochen mit Gehstützen laufen. Er ist in der Regel etwa vier bis sechs Wochen krankgeschrieben und kann sechs bis neun Monate lang nicht sporteln.
Die Kosten: Werden von den meisten Kassen übernommen.
Die Therapie: Der Unischlitten ist vereinfacht übersetzt ein halbes künstliches Knie. Dieser Gelenkersatz wird immer beliebter. Inzwischen ist jede fünfte der etwa 200 000 Knieprothesen, die jährlich in Deutschland eingesetzt werden, ein Unischlitten.
Die Einsatzgebiete: Das halbe Knie kommt infrage, wenn der Knorpel nur auf einer Seite zerstört, aber auf der anderen weitgehend intakt ist. Dies ist oft bei Patienten mit O-Beinen und einem Knorpelschaden auf der Knie-Innenseite der Fall. Der fehlende Knorpel wird durch ein kleines Metallimplantat ersetzt.
Der Aufwand: Bei der minimalinvasiven, etwa 45-minütigen OP setzt der Arzt einen etwa acht bis zehn Zentimeter langen Schnitt. Der Patient bleibt etwa eine Woche in der Klinik, geht zwei Wochen auf Krücken. Er ist sechs bis acht Wochen arbeitsunfähig, die Reha erfolgt meist ambulant. Radeln darf man bereits nach sechs bis acht Wochen wieder, die meisten anderen Sportarten sind allerdings ein halbes Jahr tabu.
Die Kosten: Werden von allen Kassen übernommen.
Die Therapie: Dabei wird das ganze Knie ersetzt – genauer gesagt die Oberflächen der Knochen im Gelenk. Von einem Doppelschlitten ist die Rede, weil beide Gelenkflächen auf der Innen- und Außenseite des Knies durch sogenannte Gleitpaarungen aus Metall ersetzt werden.
Die Einsatzgebiete: Arthrose im Endstadium im gesamten Knie. Dabei bildet sich eine sogenannte Knorpelglatze, Knochen reibt auf Knochen, Entzündungsprozesse entstehen. Der Patient kann kaum noch gehen, hat starke Schmerzen, die ihm oft sogar nachts den Schlaf rauben.
Die Effekte: Der Dauerschmerz lässt deutlich nach, im Idealfall verschwindet er ganz. Sport wird wieder möglich, die Lebensqualität kommt zurück. Oliver Prinz, Trainer der Deutschen Skicross-Nationalmannschaft, kann damit sogar wieder mit Vollgas Ski fahren. Allerdings sollten Otto-Normal-Sportler keine Wunder erwarten: Eine Prothese bringt zwar meist viel Lebensqualität zurück – nicht aber die Belastbarkeit eines 20-Jährigen.
Der Aufwand: Der Schnitt ist mit zehn bis 14 Zentimetern etwas länger als beim Unischlitten, die minimalinvasive OP dauert etwa eine Stunde. Danach: eine Woche Klinik, zwei Wochen Laufen auf Krücken. Man ist in der Regel zwei bis drei Monate krankgeschrieben. Die Reha ist aufwendig, meist stationär. Sie erfordert Disziplin und Geduld. Sechs Monate Sportpause.
Die Kosten: Werden von allen Kassen übernommen.
Die Therapie: Dabei wird das gerissene vordere Kreuzband durch eine körpereigene Sehne aus dem Oberschenkel ersetzt. Früher entnahm der Arzt in der Regel Gewebe aus den sogenannten Hamstrings, die an der Oberschenkelrückseite liegen. Heute werden häufig Anteile des Quadrizeps auf der Vorderseite verwendet. Die Sehne ist dicker und ermöglicht es dem Operateur, das Ersatz-Kreuzband praktisch maßzuschneidern.
Die Einsatzgebiete: Ein gerissenes Kreuzband wird meistens operiert – vor allem dann, wenn das Knie dadurch instabil ist. Mitunter knickt den Betroffenen das Bein regelrecht weg, vor allem sportlich ambitionierte Patienten verlieren viel Belastbarkeit. In manchen Fällen lässt sich eine OP vermeiden – meist bei eher älteren Patienten ohne größere sportliche Ansprüche. Zudem sollten die Menisken bei einer konservativen Behandlungsstrategie intakt und auch kein Knorpel verletzt sein. Der Patient muss sich mit der eingeschränkten Stabilität seines Beines im Alltag wohlfühlen.
Die Effekte: Das Bein wird wieder stabil, Folgeschäden wie Meniskus- oder Knorpelverletzungen werden vermieden. Ein gerissenes Kreuzband gilt als eine Art Brandbeschleuniger bei der Entstehung von Arthrose.
Der Aufwand: Der Operateur braucht einen etwa drei bis vier Zentimeter langen Schnitt, um die Sehne zu entnehmen. Die Kreuzbandplastik – also das Einnähen des Ersatzbandes – geschieht in einer etwa 45-minütigen arthroskopischen OP. Ein bis zwei Tage Klinikaufenthalt folgen, dann zwei Wochen mit Gehstützen. Zwei bis drei Mal die Woche Physiotherapie sind sinnvoll. Man ist drei bis vier Wochen krankgeschrieben und darf mindestens sechs bis neun Monate nicht sporteln. Wer zu früh loslegt, riskiert, dass das neue Kreuzband wieder reißt.
Die Kosten: Werden von allen Kassen übernommen.
Die Therapie: Eingriffe an den Menisken (siehe Grafik) gehören zu den häufigsten Knie-Operationen. Während verletzte Menisken früher relativ großzügig herausgeschnitten wurden, versucht man sie heute zu nähen. Allerdings sind nicht alle Risse für eine Naht geeignet, schwierig wird es in schlecht durchbluteten Meniskuszonen oder bei komplizierten Abrissmustern. In solchen Fällen wird nur ein Teil entfernt – so viel wie nötig, aber so wenig wie möglich.
Die Einsatzgebiete: Genäht wird meistens nach Verletzungen, insbesondere bei jüngeren und sportlichen Patienten. Ihre Beinachse sollte möglichst gerade sein. Eine Teilentfernung steht häufig dann an, wenn der Meniskus durch Verschleiß eingerissen und der Knorpel in dem Bereich bereits ramponiert ist.
Die Effekte: Der Meniskus bleibt als wichtiger Stoßdämpfer im Kniegelenk erhalten, das Ausmaß von Knorpelschäden wird oft reduziert. Denn Patienten ohne Meniskus haben ein sehr hohes Arthrose-Risiko.
Der Aufwand: Für den arthroskopischen Eingriff benötigt der Operateur in der Regel 30 bis 45 Minuten. Er wird fast immer ambulant durchgeführt, selten bleibt der Patient für eine oder zwei Nächte in der Klinik. Bei einer Meniskusnaht läuft er vier bis sechs Wochen mit Krücken, bei einer Teilentfernung fünf bis sieben Tage. In beiden Fällen steht eine etwa vierwöchige Sportpause an, maßvolles Radeln ist früher wieder möglich. Oft werden die Patienten vier bis sechs Wochen krankgeschrieben. Sie sollten zwei bis drei Mal pro Woche zur Physiotherapie gehen.
Die Kosten: Werden von allen Kassen übernommen.
Die Therapie: Wenn die Kniescheibe herausspringt, reißt oft ein Band. Das wird durch eine Sehne aus Oberschenkelanteilen ersetzt. Die sorgt dafür, dass die Kniescheibe wieder in der Mitte ihres Gleitlagers gehalten wird.
Die Einsatzgebiete: Operiert wird vor allem nach Unfällen – und wenn die Kniescheibe bereits öfter herausgesprungen ist. Diese Verletzungen sind meist sehr schmerzhaft. Betroffen sind häufig junge Patienten zwischen 13 und 20 Jahren, mehr Frauen als Männer.
Die Effekte: Das Ersatzband verhindert in etwa 95 Prozent der Fälle, dass die Kniescheibe erneut „ausbüxt“.
Der Aufwand: Für die Sehnenentnahme ist ein etwa drei bis vier Zentimeter langer Schnitt nötig. Der arthroskopische Eingriff dauert etwa eine Dreiviertelstunde. Ein bis zwei Tage bleibt man im Krankenhaus, läuft zwei Wochen auf Gehstützen. Man ist in der Regel vier Wochen krankgeschrieben, darf ein halbes Jahr nicht sporteln. Zwei bis drei Mal pro Woche Physiotherapie sind sinnvoll – eineinhalb bis zwei Monate lang.
Die Kosten: Werden von allen Kassen übernommen.