Göttingen – Ähnlich wie für Kühlschränke gibt es auch für Lebensmittel ein Label mit Einstufungen. Der sogenannte Nutri-Score hilft Konsumenten beim Erkennen von zuckerhaltigen Lebensmitteln und trägt so zu einer gesünderen Ernährung bei. Das berichten Wissenschaftlerinnen der Universität Göttingen nach einer Studie in der Fachzeitschrift „PLOS One“. Demnach wirkt das in Deutschland freiwillige Produktlabel irreführenden Angaben zu Zucker entgegen.
Unternehmen würden mit Angaben wie „ohne zusätzlichen Zucker“ oft den Eindruck erwecken, Produkte seien gesünder, als sie tatsächlich sind, schreibt das Team um Kristin Jürkenbeck vom Lehrstuhl „Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte“. Der Nutri-Score helfe Konsumenten, solche nicht zutreffenden Aussagen zu entlarven.
Der Nutri-Score bewertet bei einem Lebensmittel die Menge an Zucker, Fett, Salz, Ballaststoffen, Proteinen oder Anteilen an Obst und Gemüse pro 100 Gramm. Der daraus gebildete Gesamtwert wird auf einer fünfstufigen Skala abgebildet: von „A“ auf dunkelgrünem Feld für die günstigste Bilanz über ein gelbes „C“ bis zum roten „E“ für die ungünstigste.
Nutzung ist nicht vorgeschrieben
Für die Studie wurden Teilnehmern online drei verschiedene handelsähnliche Produkte gezeigt – ein Fertig-Cappuccino, ein Schokoladen-Müsli und ein Hafer-Getränk. Diese waren jeweils unterschiedlich mit Nutri-Score oder Zucker-Botschaften bedruckt, wie sie von Unternehmen verwendet werden. Die Teilnehmer bewerteten Produkte mit Unternehmensangaben zu einem reduzierten Zuckergehalt als gesünder, als sie tatsächlich waren. Bei den – teils zusätzlich – mit dem Nutri-Score bedruckten Lebensmitteln war das nicht der Fall.
Ein hoher Zuckerkonsum könne das Risiko für Übergewicht und andere Krankheiten erhöhen, betonen die Autorinnen. Sie fordern deshalb Einschränkungen für irreführende Zucker-Behauptungen. Wenn Unternehmen derartige Angaben auf ihren Produkten machen, solle der Nutri-Score verpflichtend sein. Das Produktlabel wird zunehmend in verschiedenen europäischen Ländern genutzt. In Deutschland ist die Nutzung seit November 2020 freiwillig möglich. „Bis zum 15. August 2022 haben sich rund 310 aus Deutschland stammende Unternehmen mit rund 590 Marken für den Nutri-Score registriert“, teilte das Bundesernährungsministerium mit.
Der Nutri-Score sei eine sinnvolle Ergänzung, sagte eine Sprecherin des Ministeriums. Durch die Zutatenliste und Nährwerttabelle könnten Verbraucher erkennen, welche Zuckerarten ein Lebensmittel enthält.
Der Wert A heißt noch lange nicht gesund
Ob ein Lebensmittel grundsätzlich gesund ist, sagt der Nutri-Score allerdings nicht aus. Darauf weist die Stiftung Gesundheitswissen hin. Denn die Kennzeichnung vergleicht nur Lebensmittel innerhalb einer bestimmten Produktkategorie miteinander – also etwa Tiefkühlpizzen mit Tiefkühlpizzen oder Schokomüsli mit Früchtemüsli. Eine Pizza könnte so etwa die höchste Bewertung, ein dunkelgrün hinterlegtes A, haben, weil sie im Vergleich zu anderen Pizzen einen besser bewerteten Nährwert hat. Gesund oder gesünder als ein weniger gut abschneidendes Müsli muss sie deshalb aber nicht sein.
Bei unverarbeiteten Lebensmitteln wie Obst oder Gemüse wird der Nutri-Score in der Regel gar nicht verwendet. Der Blick auf den Nutri-Score lohnt sich deshalb nur, um Lebensmittel einer Produktkategorie miteinander zu vergleichen. Hier gilt grundsätzlich: Je mehr Kalorien, Zucker, gesättigte Fettsäuren und Salz ein Lebensmittel enthält, desto schlechter die Bewertung.
Für den Vergleich zwischen verschiedenen Lebensmittelgruppen ist es sinnvoller, die Nährwerttabelle anzusehen, rät die Stiftung Gesundheitswissen. Hier müssen die Hersteller angeben, wie viel Gramm Fett, Zucker oder Salz ein Produkt pro 100 Gramm enthält. dpa