„Da wir die Ursache nicht kennen, können wir nur Symptome behandeln“

von Redaktion

INTERVIEW Prof. Laszlo Kovacs beschäftigt sich seit 20 Jahren mit der Krankheit Lipödem – und erklärt, wann eine Operation möglich ist

München – Seit gut 20 Jahren beschäftigt sich Prof. Dr. Laszlo Kovacs nun schon mit der Krankheit Lipödem. Der plastische Chirurg hat das Lipödem-Zentrum in München mitbegründet.

Was genau löst die Krankheit Lipödem aus?

Das wissen wir bis heute nicht. Häufig diskutierte Ursachen sind Veränderungen der weiblichen Geschlechtshormone in der Pubertät, in der Schwangerschaft oder in den Wechseljahren, da diese Krankheit fast nur Frauen betrifft. Es wurde auch eine Anhäufung der Erkrankung innerhalb Blutsverwandter festgestellt, weshalb eine genetische Veranlagung diskutiert wird. Für die Therapie bedeutet das: Da wir die Ursache nicht kennen, können wir nur Symptome behandeln.

Wie sieht das aus?

Noch vor spezifischen Behandlungsmaßnahmen ist eine gesunde Lebensart mit normaler Ernährung, viel Sport, Gewichtskontrolle entscheidend. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Kompressionsbehandlung. Die Patientinnen müssen maßgefertigte Kompressionswäsche täglich tragen, das hilft bei der Entstauung. Die manuelle Lymphdrainage kann die Behandlung ergänzen. Darüber hinaus haben wir die Möglichkeit der Liposuktion, also der Fettabsaugung.

Was spricht für, was gegen eine Operation?

Die Liposuktion ist das einzige uns heute bekannte Mittel, um krankhafte Fettzellen nachhaltig zu entfernen. Insofern spricht sehr viel für die Operation. Aber nicht jede Patientin ist geeignet. Bestimmte Vorerkrankungen wie etwa Blutungsneigung oder schwere Herzleiden sind ein Ausschlusskriterium.

Warum braucht es meist mehrere Operationen?

Weil in der Regel verschiedene Körperregionen behandelt werden müssen. Und weil pro Operation nur maximal acht Prozent, in Ausnahmefällen zehn Prozent des Körpergewichts abgesaugt werden können, sonst wird die Belastung für den Organismus zu groß. Ich möchte betonen: Die Liposuktion beim Lipödem ist keine Schönheitsoperation und dient nur dazu, die Schmerzen zu nehmen. Wir arbeiten sehr viel großflächiger als bei einer rein ästhetischen Operation. Dabei übersteigt die Menge des Fetts, die wir absaugen müssen, die Rückbildungsfähigkeit der Haut. Nach den Operationen ist die Haut meist faltiger als zuvor. In diesen Fällen können weitere, gewebestraffende Maßnahmen nötig sein.

Finden Sie die Einschränkungen der Krankenkassen für eine Kostenübernahme der Liposuktion richtig?

Die Einschränkung mit dem BMI unterstütze ich. Wir selbst operieren bis auf wenige Ausnahmen nur bis zu einem BMI von 32. Bei einem zu hohen BMI ist das Risiko von Komplikationen zu groß, zudem erreicht man kein optimales Ergebnis mehr. Was ich für falsch halte, ist die Beschränkung auf Stadium 3. Es gibt viele Frauen mit Stadium 1 und 2, bei denen die konservative Therapie nicht reicht, um Schmerzen und Krankheit in den Griff zu kriegen.

Wie groß ist das Risiko, dass das Lipödem trotz Operation zurückkehrt?

An den operierten Stellen ist das Risiko sehr gering. Was in Einzelfällen passieren kann, ist, dass das Lipödem in bisher nicht behandelten Körperregionen auftritt. Regelmäßige Nachuntersuchungen sind deshalb wichtig.

Nach den Operationen braucht es keine Kompressionsstrümpfe mehr?

In vielen Fällen können die Frauen darauf verzichten. Aber wir haben Patientinnen, die tragen auch danach zumindest zeitweise ihre Kompressionswäsche, weil sie sich damit wohler fühlen. Wichtig ist: Die Verbesserungen, die durch Liposuktion zu erreichen sind, können auf Dauer nur mit einer gesunden Lebensweise erhalten werden – also regelmäßig Sport treiben und sich gesund ernähren.

Interview: Beatrice Oßberger

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