Er steht seit Jahrzehnten als Kabarettist auf der Bühne, ist somit ein mit allen Wassern gewaschener Praktiker der Satire. Doch Bruno Jonas hat sich auch immer gern mit der Theorie beschäftigt und angesichts der gewachsenen „Empörungsbereitschaft“ der Gesellschaft im Frühjahr den „Zentralrat des deutschen Humors“ initiiert. Der soll, anlässlich eines nun jährlich stattfindenden „Humorsymposiums“ (siehe unten) den Humor wissenschaftlich untersuchen. Ein Gespräch mit dem gebürtigen Passauer, der am 3. Dezember 70 wird, über seine Karriere und über die Frage, wann und worüber noch gelacht werden darf.
Wie kam es dazu, dass Sie Kabarettist geworden sind? Wollten Sie Ihre Stimme gegen die CSU erheben, wollten Sie die Welt verbessern oder wollten Sie vor allem auf die Bühne?
Ganz ursprünglich eher Letzteres. Ich habe, noch zu Schulzeiten Anfang der Siebzigerjahre, in Passau im damals noch so genannten Fürstbischöflichen Opernhaus im Chor gesungen und auch schon kleinere Rollen in Operetten und Musicals übernommen. Der damalige Intendant dort hat mich sehr gefördert, weil er in mir einen talentierten Jungschauspieler gesehen hat.
Eine talentierter Jungschauspieler ist noch kein guter Kabarettist.
Das stimmt, aber ich hatte schon früh außer der Lust am Spiel auch die Lust am Denken, die Lust an der Übertreibung, am Schreiben von satirischen Texten. Und so habe ich zusammen mit Sigi Zimmerschied mehr oder weniger aus einer Laune heraus in Passau ein Programm auf die Bühne gestemmt (die „Himmelskonferenz“, Red.), was dann auch gleich ein Auftrittsverbot nach sich zog. Das hat uns aber eher angespornt, weiterzumachen. Und dann war der Weg vorgegeben.
Was haben Ihre Eltern dazu gesagt?
Die wollten, dass ich ihr Geschäft übernehme, ich sollte Metzger lernen.
Das wollten Sie aber auf keinen Fall…
Nein, ich bin lieber nach dem Zivildienst nach München zum Studieren, was sie gar nicht gut fanden. Dort habe ich dann mein erstes Soloprogramm geschrieben, „Zur Klage der Nation“, das relativ erfolgreich war – zumindest hatte ich den Eindruck. Und dann hat mich Sammy Drechsel angerufen und mich gefragt, ob ich ins Ensemble der Lach- und Schießgesellschaft kommen möchte.
Aus der Provinz nach München und dann gleich in ein Ensemble, auf das ganz Deutschland schaut.
Dabei hatte ich am Anfang größte Bedenken, ob ich das machen soll. Für mich war das – damals war Helmut Schmidt Bundeskanzler – eher regierungsbegleitendes Kabarett. Ich habe mich weiter links verortet und war innerhalb des Ensembles sozusagen in der Opposition.
Aber Sie sind immerhin vier Jahre dabei geblieben.
Ja, und im Rückblick muss ich sagen, dass das die richtige Entscheidung war. Durch die vielen Auftritte bekommt man eine ungeheure Routine, auch im Zusammenspiel mit den anderen im Ensemble, man weiß irgendwann ganz genau, wo die Lacher sitzen. Das war schon eine gute Ausbildung, auch durch den langjährigen Autor Klaus Peter Schreiner, von dessen Art, Texte zu schreiben, ich sehr profitiert habe.
Dann kam das Fernsehen – und damit vermutlich Redakteure, die bei der einen oder anderen Nummer Bedenken hatten, oder?
Die gab es schon während der Zeit in der Lach- und Schießgesellschaft. Die Programme wurden damals ja noch live gesendet. Da ist es schon mal passiert, dass Formulierungen und auch Texte rausgenommen wurden, weil die Redaktion gesagt hat: „Das geht nicht!“ Als ich dann bei Radio Bremen war, gab es, was die Inhalte anging, kein einziges Mal eine Anmerkung der Redaktion, im Gegenteil, ich hatte das Gefühl, dass die mir sagen wollen: „Bruno, das ist alles noch zu harmlos!“ Das war eine wichtige und sehr schöne Zeit, weil ich da gelernt habe, wie Kabarett im Fernsehen funktioniert.
Damit waren Sie reif für den „Scheibenwischer“…
Ja, Dieter Hildebrandt hat mich gefragt, ob ich da mitmachen möchte, und natürlich habe ich Ja gesagt. Das war damals eine Art nationale Satirekonferenz, mit großer Reichweite, entsprechend intensiv haben wir diskutiert, was in diese Dreiviertelstunde – zeitweise war es sogar nur eine halbe Stunde – hineinkommt.
Wenn man früher den „Scheibenwischer“ verpasst hat, dann hat man Pech gehabt. Heute können Sendungen oder Ausschnitte daraus jederzeit in den Sozialen Netzwerken oder bei Youtube nachgeschaut und kommentiert werden. Was macht das mit dem Künstler, wenn er weiß, dass jeder Satz aus dem Zusammenhang gerissen und kritisiert und er selbst beschimpft werden kann?
Beschimpft werden konnte der Kabarettist schon immer, das haben wir auch erlebt. Ich glaube, dass diese Polarisierung auch damit zusammenhängt, dass das Angebot an Kabarett und an Comedy immer größer geworden ist. Es gibt immer mehr Communitys und Künstler, die in ihre jeweilige Community quasi hineinsprechen, um dort Likes zu bekommen. Und wer nicht seine eigene Community erreicht, bekommt eben keine Likes. Auch viele Kabarettisten erreichen leider nur noch ihre eigene Gemeinde.
Es gibt da, so scheint es, mindestens zwei Fraktionen, die miteinander nicht können oder nicht wollen. Eine Monika Gruber geht nicht mehr in die „Anstalt“, viele „Anstalt“-Gäste gehen nicht zu Dieter Nuhr.
Dass es in der Szene Animositäten gibt, ist nichts Neues. Ich habe sogar schon gehört, dass Kollegen sagen: „Was der oder die denkt oder sagt, geht gar nicht, davon müssen wir uns distanzieren.“ Ich sage: Kabarett darf sich nicht einer bestimmten Gemeinde verpflichten, es ist eine freigeistige Angelegenheit, man kann es auch nicht in Kategorien wie links und rechts einteilen. Es ist doch viel interessanter, zu fragen, was richtig und was falsch ist, anstatt irgendeine parteipolitische oder ideologische Verbundenheit zu demonstrieren.
Sind die Kabarettisten dünnhäutiger geworden?
Ich will nicht ausschließen, dass es auch dünnhäutige Kabarettisten gibt (lacht). Wir müssen an dieser Stelle einmal zwischen Satire und Humor unterscheiden. Ich glaube, dass die reine Satire ganz ohne Humor auskommt (lacht). Je strafender, bissiger, ätzender die Satire ist, desto weniger Humor verträgt sie. Humor hat ja etwas Versöhnliches, er dämpft den Aufprall, wenn der Satiriker den Missstand aufspießt, hochhebt und wieder fallen lässt. Je humorvoller ein Kabarettist ist, desto versöhnlicher.
Wo sehen Sie sich da?
Ich war mal der ganz, ganz Böse, Strafende (lacht herzlich). Inzwischen betrachte ich mich eher als humorvoll. Aber nicht immer!
Immer mehr Gruppen hierzulande fühlen sich als Gruppe gekränkt oder beleidigt. Das fängt bei Witzen über Körperformen an und endet damit, dass man nicht mehr „schizophren“ sagen sollte, weil man damit psychische Krankheiten banalisiert. Was darf der Kabarettist noch?
Ich habe ja schon von der immer kleineren Gruppenidentität gesprochen. Nicht jedem kann und muss alles gefallen. Da kann ich nur immer wieder Humor empfehlen (lacht).
Vielleicht sollten wir am Ende noch kurz auf die aktuelle Politik zu sprechen kommen. Ein Geschenk für jeden Kabarettisten?
Ich finde die Rhetorik unseres Bundeskanzlers sehr unterhaltsam. Und auch die unserer grünen Ministerinnen und Minister. Diese gesunde Doppelmoral, die sich da jetzt breit macht, ist beeindruckend (lacht).
Das Gespräch führte Rudolf Ogiermann
Das Humorsymposium
findet heute und diesen Samstag jeweils von 13 bis 18 Uhr in der Ludwig-Maximilians-Universität statt: Große Aula und Audimax, Geschwister-Scholl-Platz 1. Mit dabei am Freitag neben Bruno Jonas unter anderen die Karikaturisten Achim Greser und Heribert Lenz sowie Kabarettist Mathias Tretter. Am Samstag auf dem Podium unter anderen Kabarettist Gerhard Polt, Satiriker und Europapolitiker Martin Sonneborn und Regisseur Leander Haußmann. Infos und Tickets unter zentralrat.lachundschiess.de. Unsere Verlosung: Freuen über je zwei Karten können sich Klaus Hirschberger, München, Herta von Schmidsfeld, Gräfelfing, Ellen Stöckl, Dorfen, Gerhard Sedlmayr, München, und Lydia Chmurycz, Hallbergmoos.