München – Wenn Kinder hinfallen, stehen sie einfach wieder auf und rennen weiter, denn ihre Knochen sind noch elastisch. Bei Senioren sind Stürze nicht selten der Auslöser für Pflegebedürftigkeit. Genaue Zahlen gibt es nicht, dem Deutschen Ärzteblatt zufolge gehen Schätzungen aber davon aus, dass etwa 30 Prozent der zu Hause lebenden über 65-Jährigen in Deutschland zumindest einmal im Jahr stürzen, bei den über 80-Jährigen wird eine Sturzquote von mehr als 40 Prozent vermutet. Prof. Ben Ockert erklärt die drei häufigsten Sturzverletzungen.
. Oberarmkopfbruch
Er ist der „Klassiker“ unter den Schulterverletzungen in der Generation 60plus. Frauen sind häufiger betroffen als Männer, vielfach liegt eine Osteoporose vor, die den Knochen für Brüche anfällig macht. Der Oberarmkopf bricht oft nach Alltagsstürzen auf den Arm. Diese passieren beispielsweise auf rutschigem Gehweg, mitunter wird auch der Teppich in der Wohnung zur Stolperfalle.
„Wenn die Bruchenden wenig verschoben sind, heilt die Fraktur ohne Operation mit gutem Ergebnis aus“, erklärt Ockert. „Bei einem stärkeren Versatz sollte der Bruch eingerichtet und zum Beispiel mit einer Platte und Schrauben stabilisiert werden. Bei älteren Patienten kann auch das Einsetzen einer inversen Schulterprothese sinnvoll sein, nämlich dann, wenn die Heilung des Bruchs gefährdet ist – beispielsweise nach Trümmerbrüchen oder bei starker Osteoporose.“ Die Operation dauert je nach Verfahren 30 bis 60 Minuten, die Heilung etwa ein halbes Jahr.
Bei einer inversen Schulterprothese werden die Positionen von Schulterpfanne und Oberarmkopf praktisch vertauscht. Vereinfacht erklärt, setzt der Operateur dort, wo die Pfanne saß, eine Kugel ein – und in den Oberarmknochen einen Stiel mit der Pfanne. Durch diesen raffinierten Trick wird die Schulter mehr durch den Deltamuskel mitbewegt und ist nicht mehr auf die Heilung von Knochen und Sehnen der Rotatorenmanschette angewiesen. . Sprengung des Schultereckgelenks
Eine häufige Sportverletzung, die vor allem Jüngere und Menschen mittleren Alters trifft. Männer sind öfter betroffen, so wie beispielsweise Fußball-Nationaltorwart Manuel Neuer vor der WM. Andere stürzen beim Fahrradfahren oder beim Skifahren auf die Schulter.
Die Folgen reichen von einer Zerrung der Kapsel bis zum Riss aller stabilisierenden Bänder. Bei vergleichsweise geringen Schäden reicht eine zweiwöchige Schonung aus, anschließend sollte der Patient sechs bis acht Wochen lang unter Physiotherapie die Belastung behutsam steigern und die Muskulatur stärken. Spritzen können den Heilungsprozess unterstützen. „Bei hochgradigen Verletzungen steht eine Operation an – in Schlüssellochtechnik“, sagt Ockert. Die Heilung danach dauert drei bis sechs Monate. „Wenn die Verletzung mehr als drei Monate zurückliegt, wird das Schultereckgelenk zusätzlich mit einer körpereigenen Sehne stabilisiert – ähnlich wie das Knie nach einem Kreuzbandriss.“
. Ausgekugelte Schulter
Die Schulter ist das Gelenk, das am häufigsten auskugelt, weil es hauptsächlich durch sensible Bänder, Sehnen und die Kapsel stabilisiert wird. Die sogenannte Luxation passiert beim Sport oder im Alltag. „Bei einem Sturz mit angewinkeltem Arm hebelt der Oberarmkopf aus der Schulterpfanne und verletzt die Kapsel und die Gelenklippe der Schulterpfanne“, erklärt der Experte Ockert. Wenn die Schulter zum ersten Mal ausgekugelt war, kommen die Patienten nach der gefühlvollen Einrenkung häufig nicht gleich unters Messer. Der Arm wird zum Schutz eine Woche in einer Schlinge getragen, danach wird mit einer Physiotherapie begonnen.
Im Wiederholungsfall oder bei einer chronischen Instabilität steht in der Regel eine arthroskopische Operation an, um die Schulter wieder zu stabilisieren. Oft müssen die Gelenklippe und die Kapsel genäht werden, manchmal auch Sehnen und Bänder. „Aufwendiger wird die Operation, wenn auch der knöcherne Rand der Schulterpfanne beschädigt ist“, sagt Professor Ben Ockert. „Dann kann auch eine Knochentransplantation erforderlich werden.“ ANDREAS BEEZ