„Heute die Ukraine, morgen Taiwan!“ Seit Beginn des russischen Angriffskriegs tauchen Warnungen wie diese immer wieder in taiwanischen Facebook- und Twittergruppen auf. Erst vor wenigen Tagen zog auch Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen diesen Vergleich: Russlands Invasion sei „ein Paradebeispiel“. „Sie zeigt, dass ein autoritäres Regime alles tun wird, um seine Expansionspolitik umzusetzen.“ Tatsächlich kommt es zwischen Peking und Taipei seit über 70 Jahren immer wieder zu Spannungen. Grund ist der Streit um den Status Taiwans: De facto verwaltet sich Taiwan selbst unter dem Namen „Republik China“ – China sieht Taiwan hingegen seit 1949 als abtrünnige Provinz und somit als Teil der Volksrepublik China an. Damals endete der 22-jährige Bürgerkrieg um die Führung in China: Die herrschenden nationalchinesischen Kuomintang unter Tschiang Kai-shek kämpften gegen die Kommunisten unter Mao Zedong. Als die Kommunisten die Oberhand gewannen, gründeten sie auf dem Festland die Volksrepublik China – viele Kuomintang flohen auf die Insel Taiwan, die nach dem Zweiten Weltkrieg als ehemalige Kolonie Japans an China abgetreten worden war. Die Republik China begrenzte sich fortan weitgehend auf Taiwan. Bis 1971 vertrat die Insel China weiterhin bei den Vereinten Nationen. Als immer mehr Staaten anfingen, mit der Volksrepublik China zu kooperieren, musste Taiwan seine Mitgliedschaft abtreten. Offiziell erkennen nur noch 13 Staaten Taiwan als eigenständigen Staat an. Deutschland und die USA gehören nicht dazu, obwohl vor allem Washington immer wieder die Freundschaft zu Taiwan betont. Erst im August sorgte der Besuch der Demokratin Nancy Pelosi in Taipeh für eine Krise mit China. Staatschef Xi Jinping sieht eine „Wiedervereinigung“ mit Taiwan als „chinesischen Traum“ an und droht, dies notfalls gewaltsam zu tun. Tatsächlich hat die Insel, die eine eigenständige demokratische Regierung aufgebaut hat, noch nie zur Volksrepublik China gehört.