Doha/Brüssel – Eigentlich hätte es für Katar ein gutes Jahr werden können: Gastgeber der Fußball-WM, zahlungsstarke Regierungen, die Doha wegen seiner Gasvorkommen hofieren, eine wachsende Rolle als Vermittler bei internationalen Konflikten. Das Emirat am Persischen Golf auf Höhenflug. Mit dem Korruptionsskandal im EU-Parlament droht die Bauchlandung. Im Raum steht, dass Katar dort mit Geld- und Sachgeschenken versucht hat, Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. Auch wenn die Vorwürfe, die Katar bestreitet, nicht bestätigt sind: Nach vielen negativen Schlagzeilen rund um die WM dürfte das Image neue tiefe Kratzer bekommen.
Katar steht für Aufbruch im Eiltempo. Die Staatskassen werden vom weltweit größten Gasfeld gefüllt, vor allem durch Langzeitverträge für die Lieferung von Flüssigerdgas. Auch international ist Katar, eine Halbinsel etwa viermal so groß wie das Saarland, zu fast überproportional hohem Ansehen gelangt. Doha vermittelte den US-geführten Truppenabzug aus Afghanistan, nahm 60 000 Evakuierte vorübergehend auf. Die USA, die in Katar ihre größte Militärbasis im Nahen Osten unterhalten, verlegten ihre Botschaft nach Doha und lassen sich in Afghanistan durch die Katarer vertreten. Im Konflikt mit dem Iran ist Doha ebenfalls ein wichtiger Ansprechpartner.
Nun greift nach dem EU-Schock neues Misstrauen um sich. Der französische Sozialdemokrat Raphaël Glucksmann schrieb auf Twitter, das aufgedeckte Netzwerk sei überwältigend. „Und das ist wahrscheinlich erst der Anfang…“ Die gesamten Beziehungen der EU zu Katar sollten auf den Prüfstand. Jeder Kontakt wird argwöhnisch begutachtet. Etwa die vielen Treffen des Vize-Präsidenten der EU-Kommission Margaritis Schinas. Der für Sport zuständige Grieche traf zuletzt regelmäßig katarische Regierungsvertreter – und lobte die Reformen des Landes etwa bei Arbeitnehmerrechten.
Wie hart die Bauchlandung wird, ist die Frage. Dass wichtige Gasabkommen gekippt werden, daran glaubt jedenfalls keiner. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und sein Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erklärten bereits, die mutmaßliche Bestechung von EU-Politikern und die Gaseinkäufe seien zwei verschiedene Dinge. Robert Mogielnicki von der US-Denkfabrik AGSIW glaubt, dass der Nutzen der Fußball-WM für Katar langfristig alle Kritik überwiegen wird, etwa für Katars Tourismus. Berichten zufolge plant Katar eine Bewerbung für die Olympischen Sommerspiele 2036. dpa