München/Hamburg – Pedram Emami (52) ist Neurochirurg und Präsident der Hamburger Ärztekammer. Geboren in Teheran, hat er den Sturz des Schahs und die Rückkehr von Ajatollah Chomeini als Kind miterlebt. Seit 1984 lebt er in Deutschland. Gemeinsam mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Kaweh Mansoori hat er die Patenschaft für den zum Tode verurteilten Arzt Hamid Ghareh-Hassanlou übernommen.
Herr Emami: Wie kam es zu der Patenschaft?
Ich bin ja selbst iranstämmig und verfolge die Ereignisse dort sehr stark. Über die sozialen Medien bin ich früh auf den Umstand gestoßen, dass die Ärzte und Ärztinnen die Versorgung der Verletzten oft nicht adäquat durchführen können. Mit Hamid Ghareh-Hassanlou ist jetzt ein Arzt zur Zielscheibe geworden, der anscheinend versucht hat, jemanden zu versorgen. Die Patenschaft kam dann über die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte zustande, die die Patenschaften organisiert.
Weiß Herr Ghareh-Hassanlou denn, dass es diese Patenschaft gibt?
Ich bin mit seinem Umfeld in Kontakt, deswegen vermute ich, dass er es auch weiß.
Was kann ein Pate tun?
Es geht vor allem darum, Informationen zu sammeln und öffentlich zu machen, damit im Iran nicht im Geheimen Unrecht passieren kann.
Sind Sie mit der iranischen Botschaft in Kontakt?
Herr Mansoori und ich haben Schriftsätze an die iranische Vertretung in Berlin und in Hamburg geschickt. Leider ohne Rückmeldung. Offenbar ist nicht erwünscht, dass man ins Gespräch kommt.
Ist es trotzdem sinnvoll?
Es ist absolut sinnvoll. Das Verfahren gegen Hamid Ghareh-Hassanlou ist in drei Tagen abgehalten worden. Das ist eine Farce. Das machen wir öffentlich. Für das Regime ist es so schwerer, das Gesicht zu wahren. Das ist viel wert. Es hat große Angst vor Gesichtsverlust, im Inland, geschweige denn im Ausland. Wenn der Fall publik wird, bremst das die Regierung, im Verborgenen zu tun, was sie will.
Wie ist Ihre persönliche Geschichte im Iran?
Ich habe die Revolution als Grundschüler miterlebt, auch den Krieg zwischen Iran und Irak. Als ich so alt war, um selbst eingezogen werden zu können, sind meine Eltern mit uns Kindern ins Ausland.
Wie blicken Sie auf die aktuellen Proteste im Iran?
Ich habe noch viele Kontakte. Der Iran ist kein Rechtsstaat und kein freiheitlicher Staat – auch wenn die Lebensumstände deutlich entspannter sind als 1984, als ich das Land verlassen habe. Das Besondere an dem, was gerade passiert, ist, dass der Drang nach Freiheit und Pluralität aus dem Land heraus entstanden ist. Das zeigt einen evolutionären Prozess, der für sich allein schon revolutionäre Bedeutung hat. In bin überzeugt: Selbst wenn versucht wird, diese Wünsche totzuschlagen, wäre das nur ein temporärer Erfolg für die Regierung. Die Proteste würden in kürzester Zeit wieder aufflammen – so wie Glut unter der dünnen Asche.
Die Proteste werden also Veränderung bringen?
Man wird die Uhren nicht auf den Sommer 2022 zurückdrehen können. Es wird nie wieder so sein wie vorher.
Was wird passieren?
Meine Maximalhoffnung ist, dass aus der Bewegung tatsächlich Werte wie Gleichberechtigung, Freiheit oder die Akzeptanz unterschiedlicher Ethnien und Religionen werden. Eine moderne Gesellschaft mit großer Teilhabe aller Menschen. Der Iran ist nun mal ein Vielvölkerstaat. Die Menschen dort brauchen auch ein Aufblühen der Wirtschaft. Die Perspektivlosigkeit für junge Menschen ist schlimm. Dabei hat der Iran ein großes Potenzial. Das könnte auch eine Sogwirkung auf umliegende islamische Staaten wie Afghanistan haben. Das ist zugegeben sehr weit gezeichnet. Die Zeit wird es zeigen.
Inwieweit soll sich der Westen einmischen? Oder soll er das gar nicht?
Das sind die entscheidenden Worte: nicht einmischen. Gerade im Iran hat ausländische Einmischung eine sehr zwielichtige Vergangenheit. Denken Sie nur an den Putsch von 1953, als eine historische freiheitlich-demokratische Bewegung mit Unterstützung der CIA niedergeschlagen wurde. Insofern ist der Vorbehalt im Volk gegen ausländische Einmischung groß. Aber was durchaus denkbar und machbar ist, ist eine klarere Abgrenzung gegen die Regierung, ihre Milizionäre und ihren finanziellen Arm. Wenn wir eine werteorientierte Außenpolitik propagieren, müssen wir auch so handeln.
Interview: Wolfgang Hauskrecht