Kanzlerkandidaten-Frage lösen werden

von Redaktion

Berliner Silvesternacht, Atomkraft, Fehler der Ampel – und ihre neue Männerfreundschaft

Wenn Sie ein so tolles Einvernehmen haben, haben Sie die Kanzlerkandidatur sicher schon geklärt.

Merz: (lacht) Ich habe darauf gewartet, ob das als erste, zweite oder dritte Frage kommt.

In der Mitte. Aber die Frage muss ja kommen, weil es beim letzten Mal eher suboptimal lief.

Merz: Das haben Sie nett formuliert.

Muss die Nominierung beim nächsten Mal zeitiger erfolgen?

Merz: Deswegen bin ich im Herbst 2020 innerhalb der CDU ja auch etwas unfreundlich geworden. Sie brauchen für die gute Vorbereitung einer Bundestagswahl ein Jahr. Unterstellen wir mal, die Wahl findet regulär im Herbst 2025 statt – was bei dieser Ampel ungewisser denn je ist –, dann hieße das: Spätestens im Frühherbst 2024 müssen wir eine Entscheidung treffen.

Ist es wieder so wie früher, dass sich die beiden Vorsitzenden auf einen Kandidaten einigen müssen?

Söder: Wenn sich die Vorsitzenden nicht einigen, ist die Sache von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Das war schon in den 70ern bei der Kampfkandidatur Franz Josef Strauß gegen Ernst Albrecht so. Das heißt: Wir müssen uns verständigen. Nur Einigkeit führt zum Erfolg.

Also: Wie verständigen?

Söder: Aus meiner Sicht ist die Sache klar: Der Parteivorsitzende der CDU hat innerhalb der CDU den klaren Führungsanspruch. Die CDU wiederum hat im Normalfall den Vorrang gegenüber der CSU. Ich persönlich habe definitiv keine Ambitionen mehr. Das Thema Kanzlerkandidatur ist für mich erledigt. Im Leben eines CSUlers kommt dies auch höchstens einmal auf einen zu – so war es bei Strauß, Stoiber und auch mir –, aber kein zweites Mal. Meine Aufgabe ist Ministerpräsident in Bayern, dafür brenne ich und dafür setze ich mich mit aller Kraft ein. Ich möchte, dass wir in Bayern eine freie bürgerliche Regierung behalten und keine Mini-Ampel wie in Berlin bekommen.

Lassen Sie uns über das Hier und Jetzt sprechen: Christian Lindner hat ein Thesenpapier vorgelegt. Ältere fühlen sich an Otto Graf Lambsdorff 1982 erinnert. Der Anfang vom Ende der Koalition damals.

Söder: Der Unterschied ist: Christian Lindner legt dieses Papier nicht vor, um die strategische Ausrichtung der Ampel-Politik zu ändern, sondern aus schlechtem Gewissen vor den Landtagswahlen in diesem Jahr. Die FDP macht bislang das komplette Gegenteil von dem, was sie versprochen hat. Christian Lindner ist der größte Schulden-Finanzminister, den Deutschland je hatte.

Ein deutsches Schicksalsthema dürfte die Energie werden. Herr Merz, Sie haben intern gesagt, zum Bestellen der Brennstäbe sei es jetzt zu spät. Haben Sie die Hoffnung aufgegeben, die AKWs über den April hinaus laufen zu lassen?

Merz: Wir fordern seit dem letzten Sommer, dass die Kernkraftwerke weiterlaufen sollen. Daran hat sich nichts geändert. Der Bundeskanzler aber hat in einem förmlichen Brief an die Koalitionspartner mit der Richtlinienkompetenz ein Machtwort gesprochen und gesagt: Am 15. April ist Schluss. Das ist einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik. Daran wird sich nach meiner Einschätzung nichts mehr ändern. Die Sozialdemokraten und die Grünen haben sich politisch festgelegt. Ich halte das trotzdem für einen Fehler.

Aber dann macht es auch keinen Sinn mehr, wenn die Union weiter eine Verlängerung fordert.

Söder: Doch. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir die Kernenergie noch länger benötigen. Die Grünen sind das Blackout-Risiko Nummer eins. Deshalb brauchen wir sofort einen neuen Stresstest, um zu sehen, was uns ab April bevorsteht. Wir können doch nicht nur auf Dauer von sehr teurem amerikanischem Fracking-Flüssiggas und einem Hofknicks in Katar abhängig sein. Damit droht durch die extrem hohen Preise ein schleichender Abstieg Deutschlands. Wir dürfen uns in dieser Lage nicht der Kernenergie und auch nicht günstigem deutschen Gas verweigern. Sonst geht es uns wie der Fußball-Nationalmannschaft: gute Moral, aber mieses Ergebnis.

Was ist die Lösung?

Söder: Neben dem massiven Ausbau der Erneuerbaren braucht es eine Energiebrücke für die Krisenjahre: Im Norden fördern wir Gas, im Süden laufen dafür die Kernkraftwerke länger. Das schafft Sicherheit und Stabilität für die nötige Übergangszeit.

Warum Fracking nur im Norden, nicht in Bayern?

Söder: Das geht nach Geologie. Wir haben anders als der Norden schlicht keine großen Potenziale. Ich weiß, dass Fracking umstritten ist – aber es herrscht eine besondere Notlage und die heutige Skepsis der Bevölkerung basiert auf den Methoden von vor zehn Jahren. Heute gibt es ganz andere Technologien. Das sagen selbst die Experten der Bundesregierung. Leider ignoriert die Ampel gute Argumente. Robert Habeck sollte lernen, dass er in erster Linie auch Wirtschaftsminister ist und nicht nur grüner Klimaminister. Es bleibt eine grüne Lebenslüge, zu glauben, man könne gleichzeitig aus Öl, Kohle, Gas und Kernkraft aussteigen, ohne dass es zu einem wirtschaftlichen und sozialen Crash in Deutschland kommt.

Herr Merz, die Union kritisiert viel, verschweigt aber, dass viele Probleme aus 16 Jahren Merkel-Regierung stammen.

Merz: Das ist vor allem die Erzählung der Ampelparteien, die den Eindruck erwecken, wir hätten 16 Jahre allein regiert. Aber es war immer einer von denen mit dabei, meistens die SPD. Von den letzten 24 Jahren war die SPD sogar 20 Jahre lang an der Regierung beteiligt und hat sieben Jahre den Kanzler gestellt.

Aber der Atomausstieg war das Thema von Söder und Merkel.

Söder: Da haben Sie aber ein sehr selektives Gedächtnis. Als ob wir das allein betrieben hätten … Merz: Der Beschluss zum Ausstieg 2011 entstand unter dem Eindruck des Reaktorunfalls in Japan. Aus heutiger Sicht würde die Union die Reihenfolge ändern: Nicht erst aussteigen und sich dann die Alternativen zu überlegen. Um es klar zu sagen: Die alte Kernenergie ist durch. Aber wir brauchen Klarheit, wo künftig der grundlastfähige Strom herkommt. Man kann uns wahrlich manchen Fehler aus den 16 Jahren vorwerfen – aber warum um alles in der Welt muss diese Regierung diese Fehler denn wiederholen – erst überall aussteigen und dann mühsam danach suchen, wie wir unsere Energieversorgung sichern?

Ein Blick auf Bayern: Wie wichtig ist die Landtagswahl für die politische Statik der Union bundesweit?

Merz: Die Bayern wählen drei Wochen vor Hessen – bei den beiden großen Flächenstaaten legt Bayern also vor. Hessen ist für uns ein sehr anspruchsvolles Terrain. Das ist wie im vergangenen Jahr, als das kleinere Schleswig-Holstein vorlegte und die CDU dann – in Nordrhein-Westfalen große Erfolge feierte …  Söder: … Du willst uns doch jetzt nicht mit Schleswig-Holstein vergleichen? (lacht) Streichen Sie den Satz mit der guten Zusammenarbeit. (Gelächter)

Im Ernst: Herr Merz, finden Sie wie Ilse Aigner, dass das Ziel der CSU die Rückeroberung der absoluten Mehrheit sein sollte?

Söder: Das sieht Ilse Aigner mittlerweile auch anders. Wir sind uns da völlig einig. Merz: Da ich mit Ilse Aigner gut befreundet bin, kann ich sagen: Sie weiß wie wir alle, dass absolute Mehrheiten nur noch in den seltensten Ausnahmefällen erreichbar sind. Ein bärenstarkes Ergebnis der CSU in Bayern wäre ein großer Erfolg für die ganze Union. Söder: Das Ziel ist, stabil zu regieren. Absolute Mehrheiten wirken auf die Bürger heute zumeist unsympathisch. Und eine Partei, die sich nur um ihre Zahlen dreht, wirkt arrogant. Wichtig ist unsere gemeinsame Regierungsbilanz. Bayern geht es im Vergleich zu allen anderen Bundesländern sehr gut und wir haben einen Plan für die Zukunft. Wir wollen gemeinsam mit den Freien Wählern weiterregieren. Schwarz-Grün wird es in Bayern nicht geben. Wir brauchen kein Ampel-Hickhack, sondern eine verlässliche bürgerliche Regierung für den Freistaat. Dafür stehen wir.

Interview: Georg Anastasiadis, Mike Schier und Christian Deutschländer

Artikel 2 von 3