München – Seine Sketche sind unsterblich, seine Wortschöpfungen und Zitate bis heute unvergessen. Doch Karl Valentin (1882–1934) war auch ein begnadeter Filmpionier, leidenschaftlicher Fotograf und Sammler alter Fotografien – von seiner hassgeliebten Heimatstadt München und auch deren geliebten „originellen“ Bewohnern. Das einzige Kriterium für die Menschen in seiner Fotosammlung: „Je origineller, desto besser“, erklärt Michael Stephan, Valentin-Kenner und ehemaliger Leiter des Münchner Stadtarchivs.
„Die künstlerische Qualität des Bildes spielte dabei keine Rolle“, sagt Stephan. Valentin sammelte querbeet, aber liebevoll. Vom einfachen Schuhputzer bis zum Millionenbauer, von der Bedienung im Hofbräuhaus bis zum Bierkönig Schottenhamel. „Zu München hatte er ja eine Hassliebe, doch die Menschen sind etwas anderes – sie sind praktisch alle seine Kollegen im Geiste“, sagt Stephan. „Im Prinzip würde Valentin selbst auch in seine Sammlung gehören.“
Valentin sammelte nicht nur Porträts. Er dokumentierte auch, wie sich seine Heimatstadt im Laufe der Zeit veränderte. „Ungefähr seit 1925 hatte er sich vorgenommen, ganz ähnlich wie ein Historiker, der Welt und Nachwelt zu zeigen, wie neue Bauten entstehen, wie altes für immer verschwindet“, sagt Stephan. „Geh weiter, Zeit, bleib steh“: Das war schon Valentins Stoßseufzer, der sein geliebtes „oides“ München verschwinden sah. Es beginne sogar schon zu „newyorkeln“, klagte er, als etwa in der Blumenstraße ein städtisches Hochhaus aus dem Boden gestampft wurde. Seine Sammlung wollte er später an die Stadt verkaufen, um sie den Menschen zugänglich zu machen, weiß Stephan. „Seine Sammelwut war also kein Selbstzweck.“ Valentins Credo lautete: „A oids Buidl is mehra wert ois a Brillant.“
Und nicht zuletzt faszinierte Münchens berühmtesten Komiker die Technik der Fotografie. „Die Fotografie ermöglichte ihm einen ungeschönten, spontanen Blick auf die Welt“, sagt Stephan. Heute umfasse die Sammlung Karl Valentin insgesamt 2313 Fotografien und Postkarten, alle erschlossen und digitalisiert.
Über die von Karl Valentin gesammelten Fotografien Münchner Originale gibt es ein Buch, das erstmals alle Porträtierten vereint, liebevoll vorgestellt von Autor Karl Stankiewitz . „Münchner Originale – Fotografien aus der Sammlung Karl Valentin im Stadtarchiv München“ ist im Allitera Verlag erschienen (288 Seiten, 24,90 Euro). Wir zeigen auf dieser Seite einige Beispiele. Ab 21. Januar werden außerdem im Mesnerhaus von Kloster Seeon im Chiemgau die Originale in einer Ausstellung gezeigt. Geöffnet ist die Schau bis 30. März täglich außer dienstags von 10 bis 17 Uhr, ab 1. April dann täglich von 10 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei. Mehr Informationen erhalten Sie im Internet unter www.kloster-seeon.de.
MATTHIAS BIEBER