Ab Februar wird der ehemalige NRW-Integrationsminister, FDP-Politiker Joachim Stamp (52), Sonderbevollmächtigter für Migration der Bundesregierung. Im Interview erklärt er, wie er die Rückführung abgelehnter Asylbewerber beschleunigen will – und was er von Friedrich Merz’ Pascha-Aussagen hält.
Sie haben Ihren neuen Job noch gar nicht angetreten, da sagt Hessens Ministerpräsident Rhein (CDU) bereits: „Ein Sonderbevollmächtigter für Migration reicht nicht aus.“ Werden Sie unterschätzt?
Es wird darauf ankommen, dass auch die Ministerpräsidenten wie Boris Rhein und die Innenminister der Bundesländer selber tatkräftig mitwirken, damit wir zu einem Paradigmenwechsel kommen. Nämlich mehr reguläre Migration ermöglichen und irreguläre Migration reduzieren. Darum geht es im Kern. Das steht im Koalitionsvertrag und muss jetzt umgesetzt werden.
Bayern und Hessen fordern eine „Rückführungsoffensive“. Warum ist da bislang wenig passiert?
Für die Rückführung sind und bleiben die Bundesländer verantwortlich. Die Bundesregierung will aber die Länder zukünftig besser unterstützen. Es geht um freiwillige Rückkehr und Rückführung, aber genauso um gesteuerte Einwanderung. Wir wollen mit den Herkunftsländern echte partnerschaftliche Migrationsabkommen. Das ist die Idee.
Von wie vielen Menschen reden wir, die zurückgeführt werden müssen?
Es geht in erster Linie nicht um Quantität, sondern um Qualität. Die Bürger erwarten von uns, dass wir vor allem bei der Rückführung von Straftätern und Gefährdern besser werden. Hier haben wir in meiner Verantwortung in NRW mit hohem Personalaufwand Erfolge erzielt.
Sie wollen mehr Migration für den Arbeitsmarkt möglich machen. Wie lässt sich verhindern, dass Zuwanderer am Ende nicht doch von Sozialleistungen leben?
In NRW haben wir Freie Demokraten in der vergangenen Legislaturperiode in der Regierung mit der CDU das Teilhabe- und Integrationsgesetz verabschiedet und ein echtes Einzelfallmanagement vor Ort auf den Weg gebracht. Das ist ein Quantensprung in der Integrationspolitik, der sich in vier, fünf Jahren voll entfalten wird. Es geht dabei darum, dass vor Ort alle Akteure so vernetzt werden, dass jeder Einzelfall betrachtet wird – mit dem Ziel, noch vorhandene Defizite ganz gezielt abzubauen und so dauerhafte Integration gerade auch in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen.
Friedrich Merz spricht von einem Problem mangelnder Integration junger Menschen. Hat er recht?
Mir ist das zu pauschal. Ja, wir haben viele Menschen aus sehr patriarchal geprägten Ländern in den vergangenen Jahren aufgenommen. Da gibt es mitunter auch kleine „Paschas“, wie Merz sie beschrieben hat. Das ist aber nicht die Regel. Und es gibt die kleinen Paschas auch ohne Migrationsgeschichte. Ich habe erst kürzlich eine verzweifelte Lehrerin erlebt, die vor der Gewalttätigkeit und Respektlosigkeit der Jungs einer neunten Klasse kapitulierte. Die Übeltäter kommen alle aus alteingesessenen deutschen Familien in einem wohlhabenden Stadtteil. So einfach, wie Merz es sich macht, ist es nicht.
Sondern?
Wir Freie Demokraten wollen eine Debatte darüber führen, wie die Repräsentanten unseres Staates den notwendigen Respekt erfahren. Da ist die Politik gefordert. Wenn es Übergriffe gibt, muss schnell geurteilt und müssen Strafen vollzogen werden. Und in den Schulen brauchen Lehrerinnen und Lehrer bessere Sanktionsmöglichkeiten, etwa wenn sie aufgrund mangelhaften Sozialverhaltens die Versetzung infrage stellen könnten.
Heißt konkret?
Ich bin überzeugt, dass es eine erhebliche Wirkung hätte, wenn wiederholte Beleidigung, Sachbeschädigung oder körperliche Gewalt zum Sitzenbleiben führen würde.
Brauchen wir eine Migrationsquote an Schulen? Am Schulhof Deutschpflicht?
Statt Quoten brauchen wir stärkere, individuelle Förderung. Wir brauchen mehr Personal in den Schulen, das sich um die Kinder kümmert. Das werden wir nur mit viel mehr Quereinsteigern erreichen. Wir brauchen auch mehr männliche Erzieher und Grundschullehrer als positive Vorbilder für die Jungen. Für die Integration ist es wichtig, dass die deutsche Sprache gelernt und gesprochen wird. Das steht außer Frage. Eine intensive Sprachvermittlung erhöht die Chancen in Schule und Ausbildung und damit die Möglichkeiten auf Teilhabe. In NRW haben wir auf Initiative der FDP in der vergangenen Legislaturperiode Talentschulen in schwierigen Stadtgebieten angesiedelt, um hier mit mehr Personal unterstützen zu können. Meine Parteifreundin, unsere Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger, will diesen Weg bundesweit etablieren.
Ist es sinnvoll, die Vornamen von Straftätern zu veröffentlichen?
Nein. Was soll das bringen? In dem ganzen widerwärtigen Kindesmissbrauchs-Komplex in NRW wären es übrigens fast ausschließlich traditionelle deutsche Namen. Statt über Namen müssen wir über schnelle und konsequente Strafen reden. Es ist für alle Jugendlichen unabhängig vom Namen oder der Herkunft wichtig, dass bei Fehlverhalten die Strafe auf dem Fuße folgt. Wir dürfen nicht aufgrund von Personalmangel in der Anwendung unserer Gesetze nachlassen. Dann erodiert der Rechtsstaat.
Ist das „nur“ ein Berliner Problem, wie es Bayerns Ministerpräsident Markus Söder darstellt?
Nein. Aber es ist dort sicherlich besonders stark ausgeprägt, und die Berliner Verwaltung ist entsprechend gefordert.
Interview: Alexander Schäfer