„Trotz eines Tumors sollte man die Hoffnung nicht verlieren“

von Redaktion

München – Wie beeinflussen die Gene das Krebsrisiko, was kann der Einzelne tun und welche Fortschritte gibt es in der Krebsmedizin? Wir sprachen mit Prof. Hana Algül, dem Leiter des Cancer Comprehensive Center (CCC) am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München.

Körpergröße und die Verteilung des Körperfetts beeinflussen das Krebsrisiko. Wie bewerten Sie diese Erkenntnisse?

Es ist eine interessante Studie auf der Grundlage von sehr großen Datenschätzen. Vieles wird bestätigt, was vorher schon bekannt war, so etwa, dass Übergewicht das Krebsrisiko erhöht. Denn Übergewicht verändert den Stoffwechsel. Unter anderem werden vermehrt Botenstoffe ausgeschüttet, die zu einer Art chronischen Entzündung führen. Die Aspekte in Bezug auf die Fettverteilung sind interessant. Nur muss man ausdrücklich festhalten, dass die Studie lediglich einen Zusammenhang zwischen Körperform und Krebshäufigkeit aufzeigt, eine sogenannte Assoziation. Es ist aber nicht so, dass man einfach die Körperform als Krebsrisiko bezeichnen kann. Es gibt auch sehr sportliche Menschen, die sich gut ernähren und dennoch an Krebs erkranken.

Welche anderen Risikofaktoren gibt es und wie stark ist der Einfluss der Gene?

Wir wissen, dass Umweltfaktoren das Krebsrisiko beeinflussen, so etwa Tabak- und Alkoholkonsum, Übergewicht, Asbest und Feinstaub. Was wir momentan zudem mehr und mehr sehen, ist, dass Erkrankungen einen höheren Vererbungsanteil haben, als man früher glaubte. So ist der Bauchspeicheldrüsenkrebs in mehr als zehn Prozent der Fälle durch Vererbung weitergegeben. Früher hatte man den Prozentsatz deutlich niedriger angenommen. Ähnlich ist es beim Dickdarmkarzinom.

Welche Möglichkeiten bietet die moderne Medizin?

Die moderne Krebsmedizin macht stetig enorme Fortschritte. Die Therapie kann heute in bestimmten Fällen ganz individuell auf die jeweilige Krebsart abgestimmt werden. Wir wenden verschiedene Technologien an, um den Tumor individuell zu charakterisieren. So entwerfen wir auf den Patienten und den Tumor zugeschnittene Therapien. Bei der Diagnostik verstehen wir heute viel besser, inwieweit ein Tumor erbgenetische Ursachen hat. Wenn eine Vererbbarkeit naheliegt, bekommt der Betroffene eine genetische Testung. Bestätigt sich eine erbliche Ursache, können wir den direkten Angehörigen eine spezifischere Vorsorge anbieten.

Was kann der Einzelne tun, um sein Krebsrisiko zu minimieren?

Die Regensburger Studie zeigt einmal mehr, dass die Konstitution Einfluss auf das Krebsrisiko hat. Insofern ist zu empfehlen, auf eine gesunde Ernährung und viel Bewegung zu achten. Und natürlich sollte man unbedingt die angebotenen Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen.

Was raten Sie jemandem mit der Diagnose Krebs?

Wer eine Krebsdiagnose bekommt, der sollte sich auf jeden Fall an ein zertifiziertes Krebszentrum wenden. Mindestens für eine Zweitmeinung. Und zwar eines, das nachgewiesenermaßen viel Erfahrung in der jeweiligen Krebsart hat. An den Zentren arbeiten die Spezialisten fachübergreifend zusammen. Das heißt zum Beispiel, dass man mit Brustkrebs am Brustkrebszentrum gut aufgehoben ist oder an einer Universitätsklinik mit gut ausgerüsteten Fachabteilungen. All dies ist schon alleine deshalb ratsam, weil die Krebsforschung stetig neue Erkenntnisse erlangt und Methoden entwickelt, die gerade an Universitätszentren vorgehalten werden.

Es heißt, der Patient solle bei der Therapie auf Augenhöhe mitreden. Was bedeutet das?

Wir legen viel Wert drauf, dass sich unsere Patienten in ihrer schwierigen Situation gut beraten und aufgehoben fühlen. Erst so kann der Patient für sich Entscheidungen treffen und den Verlauf der Therapie gemeinsam mit seinem behandelnden Spezialisten mitbestimmen. Der Patient sollte nicht alles über sich ergehen lassen, sondern befähigt werden, mitzuentscheiden.

Was sollte man nach einer Krebsdiagnose auf keinen Fall tun?

Wer sich im Internet informieren will, muss sich klarmachen, dass es dort richtige und gute Informationen gibt, aber auch übertrieben zugespitzte. Es finden sich auch viele Falschinformationen. Diese grenzen teils sogar an Scharlatanerie, indem Patienten völlig unwirksame oder gar schädliche, aber zumeist kostspielige angebliche Heilmethoden angepriesen werden. Ebenso wenig sollte man sich in Chatgruppen entmutigen lassen und den Kampf von vornherein als verloren betrachten. Trotz eines Tumor sollte man die Hoffnung nicht verlieren.

Gibt es Naturheilverfahren oder Komplementärmedizin, die bei einer Krebserkrankung unterstützen können?

Komplementärmedizin wird von den Patienten sehr stark nachgefragt. Allerdings gibt es in der therapieunterstützenden Medizin aus den zahlreichen Angeboten wenige Verfahren, deren wissenschaftlicher Nutzen eindeutig belegt ist. Gerade deswegen ist es wichtig, dass man auch fachmännisch in Abstimmung mit seinen behandelnden Onkologen begleitet wird. Die Komplementärmedizin kann die Folgeerscheinungen einer Krebstherapie abschwächen oder gar das Rückfallrisiko verringern, letzteres gilt vor allen Dingen für Sport- und Bewegungstherapien. Dies muss alles aber qualitätsgesichert angeboten werden. Diese Qualitätssicherung bietet etwa das Patientenhaus am CCC München an der Pettenkoferstraße 8a. Begleitend neben der Therapie helfen manchen Patienten auch Akupunktur, Yoga, Heilkräuter oder Meditationen.

Interview: Susanne Sasse

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