Wie Bayern Hitler verhindern wollte und kläglich scheiterte

von Redaktion

Sogar die politische Linke hofft 1933 auf ein Aufbäumen der Königstreuen um Kronprinz Rupprecht – doch alle Pläne platzen

München – Am Abend des 30. Januar 1933 ist Hitler am Ziel. Der greise Reichspräsident Hindenburg hat ihn zum Reichskanzler ernannt. In Kolonnen marschieren Fackelträger der SA durch das Brandenburger Tor, aus dem Fenster der Reichskanzlei lässt sich der kommende Diktator bejubeln. Chef-Propagandist Joseph Goebbels notiert in sein Tagebuch: „Hitler ist Reichskanzler. Wie im Märchen.“

Der 30. Januar wird als Tag der „Machtergreifung“ in die deutsche Geschichte eingehen. Doch die gesamte Macht über das Reich hat Hitler zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Gerade in Bayern, wo Hitler die Landeshauptstadt München später mit dem Titel „Hauptstadt der Bewegung“ versehen wird, regt sich Widerstand gegen die nationalsozialistische Herrschaft – wenn auch nicht allzu lange.

In Bayern war zu dieser Zeit eine Regierung um Ministerpräsident Heinrich Held von der Bayerischen Volkspartei (BVP) im Amt. Held, 65 Jahre alt, zuckerkrank, engstirnig, regierte seit 1930 „geschäftsführend“ ohne Mehrheit im Landtag. Zu einem Bündnis mit der von ihm als „gottlos“ beschimpften SPD konnte er sich nicht durchringen.

Und doch setzte die politische Linke auf das Bollwerk Bayern gegen die Nationalsozialisten. Der damalige Reichstagsabgeordnete Wilhelm Hoegner, später der erste und bis heute einzige SPD-Ministerpräsident Bayerns, hatte den SA-Aufmarsch in Berlin verfolgt und notierte: „Nur rasch weg von Berlin, wir hatten hier nichts mehr zu suchen. München, Bayern, unsere Heimat war vielleicht der letzte Zufluchtsort.“ Mit ihm flüchteten auch andere SPD-Größen vorübergehend nach München, darunter auch Parteichef Otto Wels.

Schon im Spätsommer 1932 hatte der Vorsitzende der BVP, Fritz Schäffer, im Wittelsbacher Königshaus sondiert, ob sich denn Kronprinz Rupprecht politisch aktivieren lassen würde. Zunächst tauchte als Idee auf, Rupprecht als Staatspräsidenten zu installieren. Später entstand die verwegene Idee, ihn gar zum König auszurufen. Doch Rupprecht sträubte sich. Auch der Münchner Erzbischof Michael Faulhaber soll sich geweigert haben, einen bayerischen König zu krönen. Das könne nur der Papst, soll er gesagt haben.

Plan B der königstreuen Kreise war, eine Art Volksbewegung auszulösen. Das Januarheft der viel gelesenen „Süddeutschen Monatshefte“ erschien mit dem provokanten Titel „König Rupprecht“. Die gesamte Auflage war in ein paar Tagen vergriffen und die Münchner Presse stürzte sich auf die Rupprecht-Frage. Die öffentliche Stimmung aber kippte nicht – obwohl Königstreue in der Münchner Oper am 17. Februar den Besuch von Rupprecht instrumentalisierten, bis das ganze Haus in Beifallsstürme ausbrach und die Königshymne sang. Der Königsrausch dauerte 20 Minuten. Dann gingen die Menschen einfach nach Hause – auch Rupprecht. Bis heute schweigt sich das Haus Wittelsbach zu den Hintergründen aus.

Am Ende scheiterten die Pläne, so schilderte es Hoegner später, auch daran, dass Ministerpräsident Held darauf bestand selbst zu entscheiden, welche Grundrechte er einem potenziellen neuen König einräumen könne. Ein König von Helds Gnaden aber – das war undenkbar. So wurde die letzte Möglichkeit, Bayern vielleicht vor Hitlers Terror zu bewahren, „durch Unentschlossenheit versäumt“, wie Hoegner resümierte. Er flüchtete nach Tirol, schwer enttäuscht über das „kampflose Ende“ der Republik. Am 9. März installierte Hitler nach den Reichstagswahlen (43,1 Prozent in Bayern, nur unwesentlich mehr – 43,9  – reichsweit) den pensionierten Münchner General Franz von Epp als „Reichskommissar“. Noch am selben Abend begann die Verhaftung politischer Gegner in München. DIRK WALTER

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