„Der Zölibat lässt sich schnell ändern“

von Redaktion

5 FRAGEN AN

Hans-Jörg Witter (59) ist Vorsitzender der Vereinigung katholischer Priester und ihrer Frauen. Als Ordenspriester verliebte er sich und schied aus dem Priesterdienst aus. Heute arbeitet er als SAP-Fachmann für Personalwirtschaft. Er hat zwei Kinder und lebt in Oberhausen im Ruhrgebiet.

Wie viele Kinder von katholischen Priestern gibt es in Deutschland?

Ich habe keine genaue Vorstellung davon. Es sind so einige, aber ich habe dazu keine Zahlen. Wenn die Bistümer darüber Bescheid wissen, wird es verschlossen gehalten. Sie haben mit Sicherheit Zahlen darüber.

Das Münchner Erzbistum erklärt auf Nachfrage, dass es keine Zahlen gebe.

Wir haben eher Kontakt zu Priestern, die ihren Dienst bereits verlassen haben. Da kann es auch sein, dass es da schon eine Frau mit Kind gibt. Es gibt mit Sicherheit eine größere Zahl von Priestern, die heimliche Beziehungen haben.

Sie waren auch Priester?

Ich war Kapuziner und habe meine Frau in Brasilien kennengelernt. Bei mir war auch zuerst das Kind da, ich habe nach zwei Jahren psychotherapeutischer Begleitung den Weg aus dem Amt gefunden. Es gibt unter Priestern Väter, die sich nicht entschließen zu gehen, weil sie eine starke existenzielle Bindung an ihr Amt haben. Das ist ja kein Beruf wie jeder andere, sondern eine Berufung. Wenn man das Amt aufgeben muss, weil man Frau und Kind hat und die Kirche das nicht zulässt, entsteht ein großer Konflikt. Eine größere Zahl entschließt sich daher, zwar für das Kind zu bezahlen, aber eine feste Beziehung abzulehnen. Andere pflegen den Kontakt zu ihren Kindern in einer Art „Onkelstatus“. Und es gibt Priester, die nur sexuelle Befriedigung suchen. Die sind an Kindern gar nicht interessiert.

Vor 50 Jahren war es die Ausnahme, dass sich ein Priester für die Familie entschieden hat. Wie ist das heute?

Heute ist es gesellschaftlich akzeptiert, wenn man den priesterlichen Dienst verlässt. Es gibt keine gesellschaftlichen Sanktionen mehr.

Was erwarten Sie von der Kirche?

Ich erwarte nicht mehr viel – trotz des Synodalen Wegs. Es mag sein, dass die Debatten einiges aufgebrochen haben. Die Frage des Zölibats ließe sich ja relativ schnell ändern. Aber das will man nicht. Ich kann auch nicht verstehen, warum Frauen kein priesterliches Amt haben dürfen. Das ist reine Männer-Ideologie und hat mit Theologie nichts zu tun.

Interview: Claudia Möllers

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