Landshut – Weiß-grün statt weiß-blau karierte Papiertischdecken zieren die Biertische. Kein Bierdunst, keine Blasmusik erfüllen die Stadthalle im niederbayerischen Landshut. Die Bierbänke glänzen neu in knalligem Orange, von der klassischen Patina aus längst vergangenen Zeiten ist keine Spur. Beim traditionellen politischen Aschermittwoch der Grünen liegen die Brezn neben den vegetarischen Wraps – und der halbe Liter Bier steht neben dem Bio-Tee.
Für den traditionellen Flair haben sich die Grünen statt „O’zapft is“ einfach „O’kartlt is“ zum Motto gemacht. Bayerische Spielkarten mit modernen Rollenbildern sollen die Gäste zum Schafkopfen animieren. „Ich muss zugeben, ich kann kein Schafkopf“, sagt Ricarda Lang, die aus Berlin angereiste Bundesvorsitzende.
Schnell kommt Lang auf die große Weltpolitik zu sprechen. Sie erzählt von „schlaflosen Nächten“ und der Frage, „was es bedeutet, Friedenspartei zu sein“, die sie mit dem russischen Angriff auf die Ukraine plagt. Lang unterstreicht die Linie der Bundesregierung: „Wir unterstützen die Ukraine, weil wir wollen, dass dieser Krieg endet.“ Diese Worte richtet sie an all die Kritiker – vor der Tür und vereinzelt im Saal. Ein Dutzend Protestler empfängt am Eingang die Gäste unter lauten Trommelschlägen und beschimpft die Grünen als „Kriegstreiber“.
Es ist Langs Premiere auf dem politischen Aschermittwoch. Von Tempolimit bis Energieausbau dröselt sie das grüne Wahlprogramm auf, ähnlich wie bei einer Rede in Berlin. Kleine Seitenhiebe teilt sie dann aber doch gegen Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) aus, der mit „Rechentricks“ die Zahl der Windräder in Bayern schönrede. Es brauche mehr Verantwortung und keinen, der „seine politischen Positionen wechselt wie andere ihre Unterhosen“.
Deutlich mehr auf Krawall gebürstet ist dagegen das bayerische Spitzen-Duo aus Katharina Schulze und Ludwig Hartmann. Schon auf ihren Steinkrügen prangt eine klare Botschaft: „Team Bayern statt Ego-Show“. Wen die beiden damit meinen, machen sie unmissverständlich klar. „Markus Söder geht es vor allem um sich selbst“, ruft Schulze. Der „Möchtegern-Kanzler“ mache Bayern nicht zukunftsfest, sondern tanze stattdessen auf jeder Hochzeit. „Er wäre am liebsten auch bei jeder Geburt dabei und überreicht dann einen Babystrampler – wenn man ihn denn ließe“, schmettert Schulze hinterher.
Während die beiden Fraktionsvorsitzenden gegen Söders Führungsstil wettern, inszenieren sie sich selbst als harmonisches Duo, das bei den Landtagswahlen im Oktober so stark werden will, „dass niemand an uns vorbeiregieren kann“. Kampflustig stoßen sie an.
Ludwig Hartmann setzt bei seinem Teil der Doppel-Rede auf private Anekdoten als Kind aus einer „grünen Öko-Familie“, wo es damals die „extrembraunen Vollkornnudel der ersten Generation gab“. Er verspricht den Zuhörern, dass der Atomausstieg durchgesetzt werde und sich die Grünen für den Artenschutz einsetzen. Denn er wolle nicht, dass seine Enkelkinder mal fragen: „Opa war der Igel eigentlich ein gefährliches Tier?“ Bei seinen Spitzen gegen Söder recycelt Hartmann kurzerhand ein Zitat aus seiner Aschermittwoch-Rede 2020: „Bevor Markus Söder Artenschutz entdeckt, entdecke ich meine Liebe zu Franz Josef Strauß“. Auch dass Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) eine Portion künstliche Intelligenz nötig habe, erinnert an 2020.
Drei Jahre später ist der Wahlkampf spürbar im Gange. Arm in Arm winken Schulze und Hartmann zum Schluss den 150 Zuschauern zu. LEONIE HUDELMAIER