Der schleichende Tod von Bayerns Klimaspeichern

von Redaktion

VON BEATRICE OSSBERGER

Ludwigsmoos – Auf dem einzigen Hügel weit und breit steht eine Bank. Wer dort sitzt, hat einen weiten Blick tief hinein ins Donaumoos mit seinen grünen Feldern und tiefschwarzen Äckern. In der Ferne ist Ludwigsmoos zu erkennen, eines der vielen Dörfer im größten Niedermoor Süddeutschlands, das kein intaktes Moor mehr ist, seit es im 18. Jahrhundert trockengelegt wurde. Heute ist das Donaumoos vor allem für den Kartoffelanbau bekannt.

Es ist ein eher grauer Tag und es weht ein kalter Wind, was Michael Hafner, Geschäftsführer des Donaumoos-Zweckverbands, an den Besuch von Ministerpräsident Markus Söder erinnert, weil es damals ähnlich ungemütlich war. Nicht nur wegen des Wetters. Söder hat im Mai 2021 auf eben diesem Hügel verkündet, dass der Freistaat in den kommenden zehn Jahren 200 Millionen Euro in das Donaumoos investieren werde. Und dass auf 2000 Hektar Moorschutzmaßnahmen durchgeführt werden sollen. „Eine Riesennummer“, erklärte Söder. „Ein Leuchtturm-Projekt“, betonte Umweltminister Thorsten Glauber, während unten in der Ebene rund 80 Landwirte lautstark hupten, weil sie sich übergangen fühlten. Und sich um ihre Zukunft sorgten.

Zwei Jahre später wählt Michael Hafner mit Blick auf den Feldweg, auf dem die Landwirte damals protestierten, diplomatische Worte. „Für unsere Zusammenarbeit war das kein idealer Beginn“, sagt er. „Die Angst der Landwirte war groß, dass ihre Äcker unter Wasser gesetzt werden“, ergänzt Gerhard Grande, der neben Hafner steht und im Donaumoos-Team als Koordinator der staatlichen Stellen fungiert. „Aber das geht natürlich nicht. Eigentum ist in Deutschland ein hohes Gut.“ Fakt sei aber auch, so Grande, dass ein Weiter-so im Donaumoos nicht mehr möglich sei. „Ich denke, vielen ist klar, dass sich etwas ändern muss, wenn wir diesen Naturraum erhalten wollen.“

Es geht um viel im Donaumoos, einem Gebiet mit einer Moorfläche von rund 12 000 Hektar, gelegen zwischen Ingolstadt, Neuburg und Schrobenhausen. Es geht um Umweltschutz, Klimawandel und darum, dass die Landwirte hier auch künftig ein Auskommen haben sollen. Es sind viele Interessen, die der Zweckverband und das Team Donaumoos in Einklang bringen müssen. Viel Zeit haben sie dafür nicht mehr. Das Donaumoos stirbt.

Entwässerung, intensive Landwirtschaft und Erosion lassen den Boden regelrecht absacken, jedes Jahr gehen ein bis zwei Zentimeter Moorboden verloren. So wie hier ist es in den meisten Mooren Bayerns. 95 Prozent aller Moore im Freistaat sind trockengelegt. Nicht nur wertvolle Lebensräume gingen so verloren, auch für den Klimaschutz sind die Folgen dramatisch.

Moore sind die größten Kohlenstoffspeicher der Welt, auf ihren Flächen wird bis zu fünf Mal mehr CO2 gespeichert als etwa in einem Wald. Doch sind die Moore nicht mehr nass, verkehrt sich die Bilanz ins Gegenteil. Neben großen Mengen an Kohlenstoff entweichen dann weitere klimaschädliche Gase wie Lachgas und Methan. Jedes Jahr setzen die entwässerten Moorböden in Bayern laut Umweltministerium 6,7 Millionen Tonnen an Treibhausgasen frei – acht Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen im Freistaat.

Nach dem Willen der bayerischen Staatsregierung soll Bayern bis 2040 klimaneutral sein. Erreicht werden soll dies auch durch den verstärkten Schutz der Moore. „Die wirkungsvollste Methode für den Klimaschutz ist, den Wasserstand in den Mooren wieder anzuheben“, sagt Michael Hafner. Oder aber wenigstens Ackerland in Grünland umzuwandeln. Auch das würde helfen.

Nach zwei Jahren aber ist die bisherige Moorschutz-Bilanz im Donaumoos recht übersichtlich: Auf 50 Hektar werden derzeit Schutzmaßnahmen durchgeführt, die Flächen wurden wiedervernässt – allerdings schon vor Söders Ankündigung. Immerhin: Weitere 50 Hektar sollen dieses Jahr dazukommen. Zur Erinnerung: Bis 2030 sollen es nach Willen der bayerischen Regierung 2000 Hektar sein. Ist dieses Ziel überhaupt erreichbar?

„Wir arbeiten daran“, sagt Gerhard Grande und faltet eine große Karte des Donaumooses auf, um zu erklären, warum es gerade in diesem Moor nicht so einfach ist mit dem Schutz. Auf der Karte sind viele hunderte von kleinen Parzellen, sie alle stehen, mehr oder weniger, für verschiedene Eigentümer und Bewirtschafter. „Egal, was wir machen“, erklärt Grande, „alle Beteiligten und Betroffenen müssen zustimmen.“ Und so sei es schon schwierig, überhaupt größere, zusammenhängende Flächen für Moorschutzmaßnahmen zusammenzubringen. Ein weiteres Problem: Würde man die Entwässerung einfach stoppen, würden die Felder zu nass. Die Landwirte könnten keine Kartoffeln, keinen Mais und kein Getreide mehr anbauen. Deshalb braucht es für die Bauern Alternativen.

Wie das aussehen könnte, zeigt ein wiedervernässtes Versuchsfeld bei Lampertshofen, auf dem jetzt unter anderem Schilf und Rohrglanzgras wachsen. Der Zweckverband prüft hier mit der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, wie die Landwirte mit diesen sogenannten Paludikulturen Geld verdienen könnten. „Die Fasern hier können in der Papierindustrie oder in der Bauindustrie verarbeitet werden“, sagt Hafner. Noch aber ist das Zukunftsmusik, die Wertschöpfungskette muss erst noch aufgebaut werden.

Einer, der all das genau beobachtet, ist Robert Ziegler aus Königsmoos. Der 33-jährige Landwirt baut in vierter Generation Mais, Getreide und Kartoffeln an. Er ist Mitglied der IG Unser Donaumoos, einer Initiative aus rund 50 Landwirten und Grundstücksbesitzern. Grundsätzlich, sagt Ziegler, sei er offen für Veränderungen, weil er die Umwelt und das Klima schützen und den Moorboden erhalten wolle. Aber bei all den Ideen für Alternativen zur Kartoffel, sei für ihn eines essenziell: „Es muss sich rechnen. Als Vollerwerbsbauer kann ich es mir nicht leisten, etwas anzubauen, von dem ich nicht weiß, ob es dafür überhaupt einen Markt gibt.“ So wie derzeit bei den Paludikulturen. Sobald die Rahmenbedingungen stimmen, wäre der Donaumoosbauer dabei. „Es wäre ein weiteres Standbein.“

Gemeinsam mit der IG Unser Donaumoos plädiert Ziegler für ein aktives Wassermanagement im gesamten Donaumoos. Statt Drainagen zu kappen, sollten neue gelegt werden, dieses Mal aber, um das Wasser nicht aus, sondern in die Fläche zu bringen. Die Idee ist, damit auch besser durch die trockenen Sommer zu kommen. Dann könnte der Wasserstand auf 50 Zentimeter unter Bodenoberfläche gehoben werden, im Winter auf 20 Zentimeter. Eine herkömmliche Bewirtschaftung wäre weiter möglich, gleichzeitig wäre der Torfkörper besser geschützt. „Das ist ein guter Kompromiss zwischen Landwirtschaft, Umwelt- und Klimaschutz“, sagt Ziegler.

Auch Michael Hafner vom Zweckverband findet diese Idee „grundsätzlich nicht verkehrt“. Für die Landwirtschaft sei dies bestimmt sinnvoll, sagt er. Für den Klimaschutz gelte dies allerdings nur bedingt. „Der Moorboden zersetzt sich vor allem im Sommer und um hier den CO2-Ausstoß zu stoppen, ist ein Wasserstand von etwa zehn Zentimetern unter der Oberfläche nötig.“ Ganz ohne dauerhaft vernässte Flächen, wie sie derzeit in den Randbereichen des Donaumooses geplant sind, gehe es deshalb nicht, sagt Hafner. Gemeinsam mit Gerhard Grande geht er noch ein Stück weiter hinein ins Versuchsfeld. Sie wären froh, sagen beide, wenn es eine einfache Lösung für das gesamte Donaumoos geben würde. „Aber die gibt es nicht.“

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