Deisenhofen – Marc Friedbichler (58) führt die Gleissental-Apotheke in Deisenhofen, hat sechs Teilzeit-Angestellte und wird am Streik teilnehmen. Warum? Die Apotheker hätten im Gegensatz zu Staat, Ärzten und Pharma-Industrie keine Lobby, sagt er. Der Pharmazeut erinnert sich, dass sein Reingewinn in den Jahren 2004 und 2005 – nachdem das neue Vergütungsmodell eingeführt wurde – um 30 Prozent zurückgegangen ist, und besser wurde es nicht mehr, im Gegenteil: Der Druck steige immer weiter – auch personell. „Ich habe elf Monate gesucht, um eine Apothekerin zu finden. In dieser Zeit hatte ich – bei nur einer Kollegin, die allerdings nur 20 Stunden arbeitet – maximal ein verlängertes Wochenende für meine Familie und mich.“ Zu den Personal-Problemen („In der freien Wirtschaft verdienen die Studierten mehr, haben keine Samstags- und Notdienste“) gesellen sich Lieferengpässe.
Friedbichler spricht vom Spagat Ethik – Monetik (also das Geld). „Es ist traurig, aber mittlerweile schaue ich mehr auf das Geld. Ich habe eine Verantwortung für meine Angestellten und war froh, während der Pandemie alle behalten zu können.“
Dabei sieht sein Umsatz doch auf den ersten Blick ganz gut aus, oder? Doch im Februar wurde die Miete rückwirkend ab September um rund neun Prozent erhöht, sagt der Apotheker. Und nach Bezahlung der Teilzeit-Kräfte, des Putzdienstes, des Medikamenten-Ausfahrers und nach Rücklagenbildung für notwendige Investitionen (zum Beispiel Renovierungen, Klima-Anlage, EDV) bleibe ihm mit rund 40 000 Euro netto kaum mehr Geld als einem angestellten Apotheker, der pro Jahr in München knapp 60 000 Euro brutto verdient. Dabei hat der Selbstständige mit 50 Wochenstunden und mehr ein deutlich höheres Arbeitspensum.
Der Apotheker liebt seinen Beruf, beteuert er. „Aber ich will nicht nur hinten sitzen, sondern vorne bei den Kunden sein. Und das ist kaum noch möglich.“ Friedbichler geht zudem der ewige Ärger mit den Kassen, der „Bürokratie-Wahnsinn“ auf die Nerven. „Eines Nachts kam eine Mutter mit ihrem Kind zu mir, das einen Krupp-Anfall (ein plötzlicher, massiver Hustenanfall mit Atemnot, d. Red.) hatte. Ich gab ihnen einen Inhalator mit. Die DAK weigerte sich am nächsten Tag, die Kosten zu erstatten, weil wir keinen Liefervertrag mit ihr hatten.“
Also anstellen lassen und die Selbstständigkeit an den Nagel hängen? „Das wird kommen. Aber ich muss erst die Finanzierung der Apotheke abbezahlen, das dauert noch ein paar Jährchen.“ MATTHIAS BIEBER