München – Die Koalition stand am Dienstag auf der Kippe. Erst durch das Eingreifen von Kanzler Olaf Scholz (SPD), seinem Vize Robert Habeck (Grüne) und FDP-Chef Christian Lindner konnten die Ampel-Fraktionschefs dazu gezwungen werden, sich im völlig festgefahrenen Streit um die Wärmewende zu bewegen.
Teile der FDP-Fraktion um den entschiedensten Gegner der Wärmewende Frank Schäffler wollten bis zuletzt, dass das für die Grünen so zentrale Heizungsgesetz erst nach der Sommerpause kommen soll, um „die Bedenken“ der FDP ausreichend zu berücksichtigen, wie es Schäffler formuliert. Doch Lindner, Scholz und Habeck brachten die aufmüpfigen Liberalen am Dienstagabend auf Kurs, auch wenn der FDP-Chef später seine Rolle in diesen für die Ampel dramatischen Stunden herunterspielte: „Die Fraktionen äußern sich, ich war nur Zaungast.“
Die FDP-Abgeordneten, auch Heiz-Rebell Schäffler, stimmten am Ende einstimmig zu. FDP-Parteivize Johannes Vogel zeigte sich zufrieden: Nach der „180-Grad-Wende“ werde es nun ein gutes Gesetz werden.
Kanzler Scholz sagte, es habe eine wenig geruckelt in der Koalition. „Heute hat es sich, glaube ich, zu Ende geruckelt.“ Habeck verteidigte sein Abrücken von seinen Ursprungsplänen im „Heute Journal“: „Diese Debatte drohte ja zu einer Endlosschleife zu werden. Und das ist dann verhindert worden, weil wir uns mal kurz frei gemacht haben von: Wer hat gewonnen, wer hat verloren?“ Kategorien wie Sieg oder Niederlage verhinderten jeden Kompromiss.
Die Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Irene Mihalic ist sich sicher, dass das Koalitions-Klima „jetzt wo der dicke Brocken von der Brust ist“ wieder besser wird. Auf die Frage, ob es nicht besser gewesen wäre, das Fernwärme-Thema anzugehen, bevor man Hausbesitzern Vorgaben für ihre neuen Heizungen macht, antwortete die Grünen-Politikerin: „Das ganze Problem war ja, dass der Gesetzentwurf in einem Stadium das Licht der Welt erblickt hat, als er eigentlich noch gar nicht fertig war.“ Zu diesem Zeitpunkt wäre eine Verbindung beider Elemente unmöglich gewesen, da die FDP einer verpflichtenden kommunalen Wärmeplanung da noch nicht zugestimmt habe.
Der Preis für die Grundsatz-Einigung ist, dass viele Details des Kompromisses bewusst vage formuliert wurden. Zur Rettung des Koalitionsfriedens einigte man sich lediglich auf „Leitplanken“. Die Formulierungen, etwa zur Abfederung sozialer Härten und zu Ausnahmen für Rentner, sind so unkonkret, dass neue Konflikte für die nächsten Wochen programmiert sind – bis das Gesetz im Bundestag beschlossen sein soll.
KLAUS RIMPEL