München – Sind die Änderungen am geplanten Gebäudeenergiegesetz (GEG), von den Bürgern einfach nur Heizungsgesetz genannt, jetzt der große Wurf? Genau weiß man das nicht, denn noch liegt kein konkreter Gesetzentwurf vor. Viele Details sind offen. Vorerst sichert der Kompromiss immerhin den Koalitionsfrieden – und die Opposition hat sich zumindest vorsichtig optimistisch geäußert. Ein Überblick über den Kompromiss und die Reaktionen darauf.
Was sieht der Gesetzentwurf vor?
Grundsätzlich sollen ab 2023 Heizungen in Neubauten zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden müssen. Für neu eingebaute Heizungen in Bestandsgebäuden gelten die Vorgaben erst, wenn eine kommunale Wärmeplanung vorliegt. Regelkonform ist in allen Fällen weiter der Einbau einer Gasheizung, die auf Wasserstoff umgerüstet werden kann – entweder wenn die kommunale Wärmeplanung ein klimaneutrales Gasnetz vorsieht oder die Heizung auch mit nicht leitungsgebundenem Wasserstoff betrieben werden kann. Auch das Umrüsten auf Biomasse wie Holz oder Pellets ist möglich.
Gasheizungen mit Wasserstoff-Option sollen künftig mit einem „H2-Ready-Label“ gekennzeichnet werden. Nach den ursprünglichen Gesetzesplänen müssen die Anlagen ab 2030 mindestens 50 Prozent und spätestens ab 2035 mindestens 65 Prozent klimaneutralen Wasserstoff verbrennen, was der Eigentümer nachweisen muss. Ob das so bleibt, ist unklar.
Für Bestandsheizungen gilt generell: Sie müssen nicht ausgetauscht werden, eine kaputte Heizung darf auch repariert werden.
Was ist die kommunale Wärmeplanung?
Für die kommunale Wärmeplanung ist ein eigenes Gesetz geplant, ein erster Entwurf liegt vor. Im Kern gehe es darum, dass die Bürgermeister vor Ort überprüfen, welche potenziellen Wärmequellen es in der Kommune gibt, wie hoch der Verbrauch ist und ob es andere Heizvarianten außer Öl und Gas geben könne, sagte Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD). Doch viele Details sind noch offen (siehe Text unten).
Ist Wasserstoff eine realistische Option?
Technisch ist eine Umstellung der Heizung machbar. Das Problem: Grüner Wasserstoff ist kaum verfügbar und die Produktion noch teuer.
Laut dem Thinktank RAP hätte die globale Produktion im Jahr 2021 nur für 0,2 Prozent des Energiebedarfs für Heizungswärme und Warmwasser gereicht. Auch sind die Leitungsnetze noch nicht für Wasserstoff ausgelegt. Eine Umrüstung der Gasinfrastruktur auf Wasserstoff ist aber grundsätzlich möglich.
Manfred Fischedick vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie räumt der Wasserstoff-Heizung „allenfalls eine Nischenfunktion“ ein. Effizienter seien die Wärmepumpe oder der Anschluss an ein Wärmenetz. Gerald Linke vom Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW), hält dagegen: Das mittel- und langfristige Potenzial für Wasserstoff sei groß und könne nach Studien des DVGW sogar den gesamten deutschen Primärenergiebedarf decken, frühestens aber ab 2030.
Greenpeace-Energieexperte Andree Böhling warnt, die vermeintliche Technologieoffenheit werde viele Haushalte in eine Kostenfalle treiben. „Wer sich im Irrglauben an wasserstofffähige Gasheizungen jetzt noch eine Verbrennerheizung zulegt, wird künftig jeden Monat bis zu doppelt so viel zahlen, wie ein vergleichbarer Haushalt mit Wärmepumpe.“ Ein Grund sei der steigende CO2-Preis, der derzeit bei 30 Euro pro Tonne liegt. 2026 soll er etwa doppelt so hoch sein.
Gibt es Förderungen?
Soziale Härten sollen abgefedert werden, wie genau, geht aus dem neuen Entwurf nicht hervor. Pauschal heißt es, Haushalte dürften bei den „notwendigen Neuinvestitionen nicht überfordert werden“. Ausnahmeregelungen wie zum Beispiel die 80-Jahres-Grenze sollen „überarbeitet und plausibler gestaltet“ werden. Bislang sah die Förderung 30 Prozent der Kosten für alle und 50 Prozent für Menschen mit niedrigem Einkommen vor.
Finanziert werden sollen die Förderungen aus dem Klima- und Transformationsfonds. Dieser Fonds speist sich vor allem aus Einnahmen aus dem nationalen und europäischen Emissionshandel. In Deutschland muss, wer Treibhausgase ausstößt, Verschmutzungsrechte kaufen. Auch über den Kauf von Benzin, Heizöl oder Gas fließt Geld in den Topf. Der Fonds verfügt derzeit über rund 36 Milliarden Euro. In diesem Jahr werden vor allem die Sanierung von Gebäuden und der Einbau klimafreundlicher Heizungen mit insgesamt knapp 14 Milliarden Euro gefördert. Zudem gibt es Zuschüsse für E-Autos und die Wasserstoffindustrie.
Steigen durch das GEG die Mieten?
Der Deutsche Mieterbund zeigt sich besorgt, dass die Mieten als Folge moderner Heizanlagen steigen. Präsident Lukas Siebenkotten fordert, die Modernisierungsumlage sozial gerecht zu reformieren und deutlich abzusenken. Ein Heizungstausch müsse zudem eine deutliche Energieeinsparung bringen, damit Mieter und Vermieter gleichermaßen profitieren. Für Vermieter müssten die Fördermittel erhöht werden.
Gleichwohl begrüßt der Mieterbund den Heizungskompromiss. Vor allem Fernwärme hält er für zukunftsfähig. „Es wird sicherlich Vorteile haben, wenn wir die Fernwärme voranbringen“, so Mieterbund-Bundesdirektorin Melanie Weber-Moritz.
Das sagt die Opposition
Die Union äußerte sich zufrieden und skeptisch zugleich. „Opposition wirkt, unsere Kritik wirkt“, sagte Fraktionsvize Jens Spahn. Mit den Ankündigungen sei Technologieoffenheit „scheinbar gewährleistet“. Spahn lobte die zugesagten Fördermaßnahmen. Allerdings gebe es noch keinen neuen Gesetzentwurf.
Fraktionschef Friedrich Merz sagte, die von der Ampel vorgelegten Leitplanken müssten im Bundestag sorgfältig beraten werden. Die Union begrüße das Vorschalten einer kommunalen Wärmeplanung. Das habe man immer gefordert. Einen Abschluss der Beratungen noch vor der Sommerpause hält Merz aber für ambitioniert.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte, die Ankündigungen der Ampel seien nicht ausreichend, um „die berechtigte Unruhe in der Bevölkerung zu mindern“. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch kritisierte, der ursprüngliche Gesetzentwurf sei entkernt worden. „Der kleinste gemeinsame Nenner macht keine sozial ausgewogene Wärmewende.“ Konkrete Kritikpunkte nannte Bartsch aber nicht.
Das sagt die Energiebranche
Die Energiebranche begrüßt den Kompromiss. „Der erste Schritt wird vor dem zweiten gemacht“, sagte Kerstin Andreae, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). „Erst wird die Infrastruktur angeschaut, dann wird über das Haus entschieden. Es wird nicht mehr verlangt, als leistbar ist.“ Es gebe vernünftige Übergangsfristen. Auch die Schornsteinfeger sind mit dem Kompromiss zufrieden. „Es ist der richtige Weg“, sagte der Präsident des Bundesverbandes des Schornsteinfegerhandwerks Alexis Gula in Bonn. Wichtig sei vor allem, dass kommunale Wärmenetzplanung und individuelle Gebäudebeheizung jetzt zusammen gedacht würden.
Das sagen Umweltverbände
Kritik hagelt es hingegen von Umweltverbänden und Klimaschützern. Die nachgebesserten Pläne würden die Regierungsziele beim Klimaschutz erheblich gefährden, so der Tenor. Greenpeace erklärte, die Ampel habe das Heizungsgesetz aufgeweicht. Damit rücke das Erreichen der Klimaschutzziele „in weite Ferne“. Der Bund für Umwelt und Naturschutz urteilte, die Ampel rase sehenden Auges in die Klimakatastrophe. Besonders rügten die Verbände, dass noch jahrelang Gasheizungen eingebaut werden dürfen. 2022 wurden nach Zahlen der Heizungsindustrie rund 598 000 Gasheizungen verkauft – was etwa dem Niveau der Vorjahre entspricht. Die Umwelthilfe bemängelte überdies, dass die klima- und umweltschädliche Verbrennung von Holz ermöglicht werde. Der Umweltverband Germanwatch sprach von „Stillstand“ beim Klimaschutz durch das Festhalten an der Gasheizung.
Die Klimaschutz-Bewegung Fridays for Future und das Netzwerk Campact rufen aus Protest gegen politisches Versagen der Ampel-Koalition für Freitag zu einer Demonstration vor der FDP-Zentrale in Berlin auf. Anschließend soll es einen Zug zum Kanzleramt geben.
WOLFGANG HAUSKRECHT