Fuldatal – Die ersten Friedensjahre waren für die Deutschen Jahre der Not und des Hungers. Denn das „Dritte Reich“ hatte außer einem zerstörten Land auch große Geldmengen und eine geringe Güterproduktion hinterlassen. Produktion und Güterverteilung waren ab 1936 staatlich kontrolliert und die Preise auf niedrigem Niveau festgeschrieben. „Ein riesiger Geldüberhang war entstanden. Eine Reform der Finanzen musste her“, erläutert der Historiker Hans-Hermann Trost aus dem nordhessischen Fuldatal. Sie sollte den Ausgangspunkt setzen für Stabilität und Wachstum.
Die Preise waren astronomisch. Die knappen Lebensmittelzuteilungen reichten nach Kriegsende kaum zum Leben. Trost, der regelmäßig Vorträge im „Museum Währungsreform 1948“ im Fuldataler Ortsteil Rothwesten in Hessen hält, erklärt: „Die Reichsmark von 1924 hatte jegliche Akzeptanz verloren. Die Dinge des täglichen Bedarfs konnten nur über Lebensmittel-, Kleider- und sonstige Versorgungskarten erworben werden.“
Der Schwarzmarkt boomte und enthüllte, wie wertlos das Geld war: eine Tafel Schokolade war für 25 Reichsmark zu haben, ein halbes Kilo Butter für 250 Reichsmark. Auch Kaffee und Zigaretten kosteten ein Vermögen. Große Teile der verarmenden Bevölkerung hätten sich mit Tausch und „Hamstern“ durchgebracht, sagt Trost. Die Lebensmittelversorgung sei auf 25 Prozent der Produktion von 1935 gesunken: „Der harte Winter 1946/47 wurde zum schrecklichen Hungerwinter mit zahllosen Toten.“
Die Gesetze für die notwendige Währungsreform wurden vom 21. April bis 8. Juni 1948 von deutschen Experten und Vertretern der amerikanischen, britischen und französischen Militärregierungen in der heutigen Gemeinde Fuldatal erarbeitet. Das „Konklave von Rothwesten“ tagte in dem ehemaligen Fliegerhorst Rothwesten.
Federführend war ein Reserveoffizier der US-Air-Force. Der erst 26-jährige Edward A. Tenenbaum, sagt Trost, sei ein hochbegabter Volkswirtschaftler und ein Experte für die europäische und besonders die deutsche Wirtschaft gewesen. Da die Mission geheim war, wurden die Experten mit einem scheibenblinden Omnibus, niemand konnte hinein- oder hinausschauen, an einen unbekannten Ort gebracht, mit weiteren unbekannten Personen: „Schreibkräfte, Dolmetscher, ein Koch-Ehepaar und gar ein Friseur“, zählt Trost auf. Die Fahrt ins Ungewisse endete in der Abgeschiedenheit der streng bewachten Kaserne in Rothwesten.
Im von Stacheldraht umzäunten Haus fanden sie Unterkunft in kargen Soldatenstuben mit Bett, Stuhl, Tisch, Spind und einer Lampe. „Sanitäre Gemeinschaftsräume, Duschanlage im Keller – der Charme einer Kasernen-Unterkunft. Die Teilnehmer durften nicht telefonieren, die Briefe an die Außenwelt wurden zensiert, Angaben über Aufenthaltsort und Tätigkeiten waren verboten.
Unter der Leitung Tenenbaums wurden in sieben Wochen die gesetzlichen Grundlagen für die Reform erarbeitet. Der Original-Konferenztisch, an die neun Meter lang, wo debattiert wurde, während nebenan mechanische Schreibmaschinen hämmerten, steht noch heute im „Haus Posen“, dahinter hängen die Schwarz-Weiß-Porträts der Teilnehmenden.
Am Freitag, 18. Juni 1948, wurde schließlich im Rundfunk verkündet, dass ab Montag, 21. Juni, in den Westzonen nur noch die D-Mark gelten sollte. Das Geld war schon Ende 1947 in den USA gedruckt und in 23 000 Kisten, ebenfalls strikt geheim, nach Frankfurt am Main gebracht worden. Die Kisten trugen die Aufschrift „Doorknobs“ (Türgriffe), um den wahren Inhalt zu verschleiern. Eine der Kisten ist in Trosts Museum ausgestellt.
Zur Auszahlung kam die Deutsche Mark erstmals am 20. Juni 1948. „Das neue Geld, 40 D-Mark pro Kopf, gab es gegen Abgabe von 40 Reichsmark in den Ausgabestellen für Lebensmittelkarten“, schildert Trost. Über Nacht füllten sich auch die Schaufenster wie durch ein Wunder mit Waren. Die Vorsicht der Menschen, erlernt in der entbehrungsreichen Zeit, verschwand allerdings nicht über Nacht. Das zeigen auch im Bayerischen Wirtschaftsarchiv erhaltene Schriftstücke.
Eines davon ist ein internes Schreiben des Freisinger Traktoren- und Motorenherstellers Schlüter. Direktor Anton Schlüter richtete sich darin am 16. Juli, also fast einen Monat nach dem Wechsel, mit dem Betreff „Sparmassnahmen in Zusammenhang mit der Währungsreform“ an seine Mitarbeiter. „Die Not der Zeit zwingt die gesamte Geschäftsführung der Firma auf grösste Sparsamkeit einzustellen“, heißt es in dem Schreiben. Im weiteren folgt die Bitte „nicht überflüssig und zu lange zu telefonieren“, „Telegramme nur in den allerdringendsten Fällen“ zu senden und „grösste Sparsamkeit in der Verwendung von Schreibmaterialien“, walten zu lassen.
Erste Pläne für eine Währungsreform hatte es von deutscher Seite bereits während des Kriegs gegeben. Im Frühjahr 1946 erarbeiteten die Amerikaner den Colm-Dodge-Goldsmith-Plan, den sie im Alliierten Kontrollrat einbrachten und der später Grundlage der Währungsreform wurde. Mit dem „Homburger Plan“ sei auch eine deutsche Variante in der „Sonderstelle Geld und Kredit“ der amerikanisch-britischen Zone in Bad Homburg entworfen worden, deren Leiter Ludwig Erhard (1897-1977) war, sagt Trost.
Es folgten jahrelange Verhandlungen. Einerseits strebten die Westmächte und die Sowjetunion eine gemeinsame Geldreform an, andererseits bereitete jeder unter dem aufkeimenden Ost-West-Gegensatz eigene Reformen vor. Die Entscheidung der Westmächte für eine separate Reform fiel, nachdem die Sowjets am 20. März 1948 aus dem Alliierten Kontrollrat ausgetreten waren.
In die Vorgänge des geheimen Konklaves sei Erhard, der Direktor für Wirtschaft in der Bizone war, nicht direkt einbezogen gewesen, erläutert Trost. Er habe jedoch prompt reagiert, indem er unverzüglich die Lohn- und Preisbindungen und die Zwangsverwaltung wichtiger Wirtschaftsgüter aufhob – eine Eigenmächtigkeit, die die Alliierten empört habe.
Nach Trosts Ansicht hat die Entwicklung Erhard Recht gegeben: Sein Handeln sei der erste Schritt in die Marktwirtschaft der späteren Bundesrepublik gewesen und habe mit der Währungsreform den Weg für das Wirtschaftswunder geebnet.