Ärzte und Lebensschützer sind alarmiert

von Redaktion

Kritiker warnen vor Entscheidung noch vor der Sommerpause – Vorschlag: Nationales Suizidpräventionsprogramm

München – Kurz vor der Abstimmung im Bundestag über ein neues Gesetz zur Suizidbeihilfe flammt die Diskussion über das Thema noch einmal auf. Der Lebensschutz-Verein „Aktion Lebensrecht für alle“ (ALfa) ist gegen eine Verabschiedung des neuen Gesetzes noch vor der Sommerpause. „Über Leben und Tod darf nicht im Hauruckverfahren entschieden werden“, monierte die Vereinsvorsitzende Cornelia Kaminski. Mit einer Postkartenaktion will ALfa die Bundestagsabgeordneten dazu bewegen, das Tempo aus dem Gesetzesvorhaben herauszunehmen. Der Staat habe die Verpflichtung, das Leben jedes Menschen zu schützen, so der Verein. Auch wer nicht mehr produktiv sei, sondern aufgrund von Alter oder Krankheit Kosten verursacht, dürfe nicht den Eindruck haben, nur noch eine unzumutbare Last zu sein. Dringend geboten sei nicht Hilfestellung zum Suizid, sondern die Unterstützung bei der Entwicklung von Lebensperspektiven. Dem trage keiner der vorliegenden Gesetzesentwürfe ausreichend Rechnung. Insbesondere gebe es keine Antwort auf die Frage, wie ein Missbrauch der todbringenden Substanz verhindert werden könne.

Die Bundestagsvizepräsidentin Yvonne Magwas (CDU) plädierte ebenfalls dafür, erst nach der Sommerpause über diese schwierige Frage zu entscheiden. Auch die Bundesärztekammer hat an die Abgeordneten appelliert, die geplante Abstimmung über eine Regelung der Suizidassistenz noch einmal zu vertagen. Die Entwürfe seien erst kürzlich geändert worden, dadurch sei eine gründliche Befassung damit nicht möglich, sagte Bundesärztekammerpräsident Klaus Reinhardt. Eine Befassung dieser Art mit einer Entscheidung großer Tragweite sei „völlig unangemessen“. „Das hat nicht den ausreichenden Grad von Ernsthaftigkeit“, sagte er. Reinhardt kritisierte, der Vorschlag von Helling-Plahr und Künast werde „der Komplexität von Suizidgedanken und Suizidhandlungen nicht gerecht“. Er würde „außerdem einer gesellschaftlichen Normalisierung des Suizides Vorschub leisten“. Von entscheidender Bedeutung seien Hilfsangebote für Suizidgefährdete und ein „nationales Suizidpräventionsprogramm, das den Namen verdient“.

Auch Andreas Meyer-Lindenberg, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), forderte einen besseren Schutz für psychisch kranke Menschen. „Sehr häufig sind suizidale Menschen aufgrund einer schweren psychischen Erkrankung nicht in der Lage, diese Entscheidung frei und selbstbestimmt zu treffen“, erklärte er. „Sie brauchen medizinische Hilfe und sie müssen vor dem irreversiblen Schritt eines Suizides effektiv geschützt werden.“

Der Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP), Heiner Melching, kritisierte, dass die vorliegenden Gesetzesentwürfe aus „einer überwiegend juristischen Perspektive“ verfasst worden seien. Sie böten „scheinbar einfache Lösungen für ein sehr komplexes Problem“.  epd/kna/afp

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