Putzen, sammeln, zählen – die häufigsten Zwangsstörungen

von Redaktion

Der innere Drang kann das ganze Leben auf den Kopf stellen. Der Ausweg: Verhaltenstherapie – und manchmal Medikamente.

München – Wer unter einer Zwangsstörung leidet, muss bestimmte Handlungen oder Gedanken ständig wiederholen. „Im Gegensatz zu psychisch erkrankten Menschen, die zum Beispiel an einer Schizophrenie leiden, sind sich 98 Prozent der Zwangsgestörten der Sinnlosigkeit ihrer Aktionen bewusst. Und sie leiden sehr darunter“, bestätigt der Psychiater Dr. Ulrich Förstner. Der innere Drang kann so stark werden, dass er das gesamte Leben bestimmt. Hobbys und Lebensziele bleiben dabei auf der Strecke. Am Ende stehen Verzweiflung, Erschöpfung und häufig soziale Isolation, wenn sich Freunde, Partner, Kollegen oder gar Familienmitglieder irritiert zurückgezogen haben.

Als Auslöser gelten zum Beispiel erbliche Veranlagung, neurologische Erkrankungen, psychische Belastungen, schwierige Lebensumstände oder Lebenskrisen wie beispielsweise der plötzliche Tod eines geliebten Menschen. Im Zentrum der Behandlung steht häufig die kognitive Verhaltenstherapie, in der Betroffene lernen, über Sorgen und Ängste zu sprechen, ihr Verhalten zu kontrollieren und so mit der Erkrankung umzugehen. In manchen Fällen wird die Therapie mit Medikamenten (Antidepressiva, selektive und nicht selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer) begleitet. Auch Sport sowie Entspannungstechniken (autogenes Training) helfen vielen. Einige typische Beispiele für Zwangshandlungen:

Wasch- und Putzzwang

Manche Menschen waschen sich so lange, so oft und so heiß die Hände, bis die Haut wund ist. Auch stundenlanges Duschen, unentwegtes Putzen und Panik vor Besuchern, die Schmutz oder Bakterien hereintragen könnten, gehört dazu.

Sammelzwang

Das Zwangshorten von mehr oder weniger wertlosen Gegenständen (zum Beispiel Zeitungen) ist ebenfalls ein Symptom. Auch das Messie-Syndrom – ein Leben im totalen Chaos – gehört dazu. Manche Menschen mieten sogar zusätzlich Garagen und Keller an, die ebenfalls vollgestopft werden.

Kontrollzwang

Sie sind sich nicht sicher, ob Sie die Tür abgeschlossen haben, und gehen noch mal zurück? Das ist völlig normal. Zwanghafte Menschen dagegen müssen sich wieder und wieder davon überzeugen. Das gilt zum Beispiel auch für die Ordnung im Schrank oder in der Handtasche, auf dem Schreibtisch oder im Bücherregal.

Zählzwang

Alles, was den Menschen im Alltag begegnet, muss gezählt werden: Autos, Fenster, Tiere, Bäume, Gehwegplatten, Kinder, Frauen, Männer. Ein mathematisches Muster oder eine Logik ist eher nicht erkennbar. Wohl unterscheiden Betroffene aber zwischen „guten“ und „schlechten“ Zahlen.

Gedankliche Zwänge

Sie sind ein qualvolles Gedanken-Karussell, dass sich Tag und Nacht im Kreis dreht und oft mit großer Angst einhergeht. Manche leiden zugleich auch unter Zwangshandlungen. Die Betroffenen quälen sich beispielsweise mit der Sorge, etwas vergessen zu haben, bestrafen sich für „verbotene“ (oft sexuelle) Gedanken, sprechen ständig stille Gebete oder befürchten, sich schlecht benommen zu haben.

Extrem belastend ist auch diese Variante: Die Patienten quälen sich mit der Vorstellung, jemanden unabsichtlich ins Unglück gestürzt zu haben. Sie müssen zwanghaft immer wieder zurückkehren an den vermeintlichen Tatort, um sich davon zu überzeugen, dass sie wirklich niemanden versehentlich ins U-Bahn-Gleis oder vom Fahrrad gestoßen oder gar ein Kind überfahren haben. DORITA PLANGE

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