5 FRAGEN AN
Die EU-Kommission will die Regeln für sogenanntes Genome Editing in der Landwirtschaft lockern. Frank Terhorst, Leiter Strategie und Nachhaltigkeit bei der Division Crop Science im Bayer-Konzern, erklärt, warum er das für wichtig hält.
Herr Terhorst, warum reicht klassische Züchtung nicht aus?
Menschen züchten seit mehr als 10 000 Jahren. Pflanzen werden gekreuzt, dann wird neu ausgesät, beobachtet, wo die gewünschten Eigenschaften entstehen, etwa mehr Ertrag, kürzere Halme oder Hitzeresistenz. Dann wird ausgewählt, gekreuzt, ausgesät. Das dauert. Auch mit dieser Technik kommen zum Beispiel bei Mais und Reis alle vier Jahre bessere Sorten auf den Markt. Genome Editing ist zielgerichteter, präziser. Wir können eine Pflanze zum Beispiel leichter an Trockenheit anpassen. Und dieses Verfahren ist deutlich schneller.
Wie viel?
Normalerweise dauert es sieben bis acht Jahre, neuem Saatgut durch Kreuzen die gewünschten Eigenschaften zu geben und es marktfähig zu machen. Mit Genome Editing wird die Zeit mehr als halbiert.
Es geht also vor allem ums schnellere Geschäft.
Das Ganze ist etwas grundsätzlicher. Es geht nicht nur darum, neue Pflanzen zu entwickeln. Es geht auch nicht nur darum, die Ernteerträge auszubauen. Es geht vor allem auch darum, die Erträge überhaupt zu sichern. Das können wir schon nicht mehr wegen der Folgen des Klimawandels. Das Saatgut kommt mit höheren Temperaturen, mehr Wind, mehr Trockenheit oder mehr Feuchtigkeit nicht gut mit.
Umweltschützer fürchten geringere Artenvielfalt und Gefahren für andere Pflanzen.
Wir als Menschen stehen vor einer besonders großen Herausforderung: Wir werden immer mehr, bis 2050 voraussichtlich zehn Milliarden. Doch durch Klimawandel, aber auch Versiegelung von Flächen und durch Kriege wird Agrarland immer weniger. Daher brauchen wir, notwendiger denn je, sichere Ernten und eine moderne nachhaltige Landwirtschaft gleichermaßen. Hier kann Genome Editing ein Baustein sein. Auch müssen wir weg vom Gefahren- hin zum Chancendiskurs, denn sonst stehen wir uns selbst weiter im Weg.
Wird anderswo auf der Welt schon entsprechendes Saatgut verkauft?
Wir wissen, dass in Fernost eine enorme Dynamik herrscht. Auch sind in den USA im Mai dieses Jahres erste Produkte auf den Markt gekommen. Die Zahl wird in den kommenden zwei, drei Jahren deutlich steigen.
Interview: Björn Hartmann