München – Schon vor vielen Jahren hat der Landkreis Oberallgäu ein Bekenntnis abgegeben: Keine grüne Gentechnik in dieser Region. Leopold Herz, Vorsitzender des Agrarausschusses im Bayerischen Landtag für die Freien Wähler, war damals Kreisobmann der örtlichen Bauern. Und bis heute ist er davon überzeugt, dass grüne Gentechnik auf dem Acker nichts verloren hat – auch nicht in ihren neuesten Formen wie etwa mit der sogenannten Genschere.
„Wir als Freie-Wähler-Landtagsfraktion sind gegen die geplanten Lockerungen auf EU-Ebene“, sagt er – und äußert sich damit ähnlich skeptisch wie zuletzt sein Parteikollege, Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber. Herz hält es für einen Fehler, dass Lebensmittel, die durch die neuen Züchtungsmethoden gewonnen wurden, nicht mehr deklariert werden müssen – und fürchtet, dass die Landwirte zunehmend abhängig von Konzernen werden. „Eine vernünftige Forschung würde ich schon befürworten“, sagt Herz. „Aber nach allem, was bisher bekannt ist über die Pläne, sind wir gegen das Vorhaben der EU-Kommission.“
Ähnlich kritisch äußert sich der bayerische Bundestagsabgeordnete Karl Bär (Grüne). „Wir brauchen weiterhin Regeln, um sensible Gebiete oder Ökoflächen vor Einkreuzung zu schützen.“ Bär fürchtet, dass durch die Zulassung neuer Züchtungsmethoden auch die Öko-Ausbauziele der EU gefährdet werden könnten. Zudem habe der Verbraucher dann keine Möglichkeit mehr zu erfahren, ob gentechnisch veränderte Pflanzen für seine Nahrungsmittel verwendet wurden oder nicht. Ohnehin ist Bär der Ansicht, dass die neuen Gentechnikmethoden bislang nicht halten, was sie versprechen. „Bisher ist fast nichts auf dem Markt, was auch wirklich Pestizid-Einsparungen bringt.“
Bayerns Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) will die Pläne erst bewerten, wenn sie offiziell vorgestellt wurden. Sie betont: Bayern sei grundsätzlich offen für Forschung und wolle unter keinen Umständen Chancen zur Problemlösung versäumen. Aber die Sicherheit habe auch bei den neuen Methoden absoluten Vorrang. Zudem müssten die Bürger in den Entscheidungsprozess eingebunden werden. „Wir finden es deshalb nicht hinnehmbar, dass die EU-Mitgliedstaaten nach Ansicht der EU-Kommission künftig nicht mehr selbst entscheiden dürfen, ob sie derartig erzeugte Pflanzen zulassen.“
Der Bayerische Bauernverband (BBV) ringt in der Debatte um die neuen Gentechnikregeln noch immer um eine gemeinsame Position. Der Deutsche Bauerverband als Dachverband hat sich klar für eine Überarbeitung der europäischen Gentechnikregeln ausgesprochen. Aber in Bayern ist der Bio-Bauernanteil deutlich höher. „Wir sind da in einer gewissen Zwickmühle“, gibt Johann Graf zu. „Die neuen Techniken haben durchaus Potenzial“, sagt der BBV-Gentechnikreferent. Eine neue Kartoffelsorte, die etwa die derzeitige Trockenheit besser übersteht? Oder neue Züchtungen, die krankheitsresistenter sind? „Das könnten die guten Seiten dieser neuen Techniken sein“, sagt er. Doch er verstehe auch die Skepsis, die es nicht nur bei den Bio-Bauern gebe. Vor allem beim Thema der Patentierbarkeit. „Für die Landwirte wäre es ein großes Problem, wenn noch größere Abhängigkeiten von den großen Konzernen entstehen.“ Hier müssten Umweltschützer und Bauernvertreter an einem Strang ziehen, um das zu verhindern. Dass die EU-Kommission den Rechtsrahmen für die Gentechnik anpassen will, hält Graf aber grundsätzlich für richtig. „Es hat sich so viel getan in der Forschung, das muss man neu bewerten.“
Unterdessen droht in der Bundesregierung schon wieder Streit. Während Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) seit Wochen für die neue grüne Gentechnik trommelt, will Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) nicht vom bestehenden Vorsorgeprinzip abrücken. Und auch aus der SPD kommt Kritik. SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch warnte bereits vor dem Ende der Wahlfreiheit für Verbraucher. Bleibt, mal wieder, Diskussionsbedarf. dg