Für den Wahlkampf hatte die Werbeagentur der FDP eine pfiffige Idee. „Mehr AI. Weniger wanger“ steht in großen Buchstaben auf dem Kleinlaster, mit dem FDP-Chef Martin Hagen durch die Lande tuckert. Man muss natürlich einmal um die Ecke denken, schließlich dürfte AI, die englischsprachige Abkürzung für Künstliche Intelligenz, nicht allen geläufig sein. Doch der kleine Witz bekommt plötzlich eine gewisse Wucht: Das Kriseln zwischen CSU und Freien Wählern ist drei Monate vor dem Urnengang offensichtlich – und plötzlich dient sich die FDP als Koalitionspartner an.
In den Bierzelten bekommt Hubert Aiwanger zwar viel Beifall, bundesweit beginnen sich die Medien für den 52-Jährigen zu interessieren. Im Landtag aber werden seine Äußerungen vielfach kritisch beäugt. Wie auch seine Bilanz als Wirtschaftsminister. „Fachkräftesicherung, Energieversorgung, Entbürokratisierung – anstatt sich um die großen Herausforderungen des Wirtschaftsstandorts Bayern zu kümmern, schürt Aiwanger Ressentiments und delegitimiert unser politisches System“, sagt Hagen. „Das hat nichts mehr mit politischem Meinungsstreit zu tun, das ist brandgefährlich. Bei der Landtagswahl geht es jetzt um die Frage: Vernunft oder Populismus?“ Mit der FDP gebe es für Markus Söder „eine seriöse, bürgerlich-liberale Alternative“ zu den Freien Wählern. Hagen fragt: „Wie lange will die CSU sich noch einen Koalitionspartner leisten, der in Zweifel zieht, dass Deutschland dem Wesen nach eine Demokratie ist?“
Die Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze hat in der „Zeit“ sogar einen großen Gastbeitrag in Reaktion auf ein Aiwanger-Interview vergangene Woche geschrieben. Auch sie kritisiert Aiwangers Bilanz als Minister: „Ich spreche regelmäßig mit Handwerkern und Unternehmerinnen in ganz Bayern. Deren größte Sorge sind nicht vegane Würstl auf dem Volksfest, sondern die internationale Wettbewerbsfähigkeit.“
Aiwanger dagegen sieht sich durch das Urteil des Verfassungsgerichts zum Heizungsgesetz bestätigt. Er twitterte: „Diejenigen, die mir mangelndes Demokratieverständnis wegen meiner Kritik an der Ampel vorgeworfen haben, sind auf den Falschen losgegangen.“ MIKE SCHIER