München – Wenn Jürgen Hach auf sein E-Bike steigt, dann nicht für eine gemütliche Fahrradtour durch den Kreis Weilheim-Schongau. Manchmal radelt der 81-Jährige bis zu 15 Kilometer einfach, um seinen Patienten einen Hausbesuch abzustatten. „Ich bin der Doktor mit dem Radl – seit 50 Jahren“, sagt Hach. Er ist Landarzt durch und durch. „Ich bin ganz bewusst aufs Land gegangen“, erzählt der Mediziner.
„Ans Aufhören denkt man mit 81 Jahren jeden Tag“, sagt Jürgen Hach mit einem spitzbübischen Schmunzeln. Doch während seine Schwester, mit der Hach zusammen die Praxis in Rottenbuch führt, nächstes Jahr den Ruhestand antritt, will er weitermachen. Es macht ihm noch immer Spaß. Außerdem fühle er sich fit, „und ich habe einen geordneten Alltag“, sagt der praktische Arzt.
Dabei müsste er nicht. „Im Pfaffenwinkel herrscht kein aktiver Ärztemangel“, sagt Hach. Würde er aufhören, kämen seine Patienten bei einem Kollegen unter, ist er sich sicher. Trotzdem ist seinen Patienten unwohl bei dem Gedanken, dass ihr treuer Hausarzt mal aufhören könnte. „Hoffentlich sterbe ich vor Ihnen“, bekomme er da auch mal zu hören. Gerade die Älteren hätten eine echte Bindung zu ihm.
Einem möglichen Nachfolger würde Hach zwar das ganze Equipment seiner Praxis überlassen, ob das ein Anreiz ist, um Landarzt zu werden, weiß er aber nicht. Auf die Suche nach einem Nachfolger hat er sich noch nicht begeben. Vor allem die „persönliche Freiheit und die Selbstständigkeit“ schätzt er an seiner Arbeit. Gleichzeitig ist er noch einer der wenigen Ärzte, die Hausbesuche abstatten.
Relativ neu als Landarzt ist Christoph Habersetzer. 2019 hat der Kardiologe nach 15 Jahren als Oberarzt in der Klinik Rosenheim die Praxis am Samerberg übernommen. Nachdem sich der 46-Jährige die Praxis angeschaut hatte, „habe ich gleich gewusst, dass ich das machen möchte“. Bereut hat er es nie. „Das war ein Glücksfall – weil es mit der ländlichen Bevölkerung einfach schön ist zu arbeiten“, schwärmt der Mediziner. Die Wertschätzung und Dankbarkeit seien bei der Landbevölkerung groß.
Die Corona-Zeit hat Habersetzer und seine Patienten zusammengeschweißt. „Die Bevölkerung hat mir Masken gespendet, am Anfang Masken selbst genäht, und ein Container zum Testen wurde mir vom Baugeschäft gestellt“, sagt er. Inzwischen sei er so richtig angekommen, werde von seinen Patienten geduzt und dürfe mit am Stammtisch sitzen, erzählt der 46-Jährige schmunzelnd.
Der große Unterschied zur Arbeit in der Klinik: „Das Schöne ist, dass man seine Patienten ganzheitlich begleitet“, sagt Habersetzer. „Irgendwann betreut man mehrere Generationen einer Familie: vom Enkelkind bis zum 100-Jährigen.“ Außerdem könne er sich mehr Zeit nehmen, und es fallen keine Nachtdienste mehr und weniger Telefonate als auf Station an. Und dann ist da noch die Selbstständigkeit. „Man ist jetzt Unternehmer – selbst und ständig“, sagt der Mediziner. Das heißt: Abrechnungen machen, Gehälter auszahlen, Genehmigungen einholen.
Schon jetzt spürt der hausärztliche Internist, dass seine Patienten quer durch den Kreis Rosenheim mehr werden. „Wenn meine Kollegen in den Ruhestand gehen, dann kann es ein bisschen brenzlig werden“, sagt er. Einen Aufnahmestopp plant er aber nicht, denn zwischen ihm und der Bevölkerung „ist es ein richtiger Zusammenhalt geworden“.
LEONIE HUDELMAIER